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Bauernopfer: Pakistans Premier muss gehen

Von WZ-Korrespondentin Agnes Tandler

Politik

Islamischer Geistlicher organisiert Protestmarsch gegen Regierung.


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Islamabad. Kurzes Gastspiel für einen unbeliebten Regierungschef: Das Oberste Gericht in Pakistan erließ am Dienstag einen Haftbefehl gegen Premierminister Raja Pervez Ashraf, der erst vor gut sechs Monaten den Posten übernommen hatte. Die erneute Absetzung eines Regierungschefs durch die Obersten Richter ist die letzte Wendung im Dauer-Machtkampf zwischen der Regierung und der Justiz im Atomwaffenstaat. Während der Haftbefehl publik gemacht wurde, protestierten in der Hauptstadt Islamabad 20.000 Anhänger eines islamischen Geistlichen gegen die Regierung. Sie quittierten die Entscheidung des Gerichts mit Jubel. Aus dem Umkreis von Ashraf hieß es, Militär und Justiz würden gegen den Premier intrigieren, um die Regierung zu stürzen.

Pakistans Oberste Richter begründete den Hafterlass mit einem Korruptionsverfahrens, das gegen Premier Ashraf aus seiner Zeit als Strom- und Wasserminister 2010 anhängig ist. Unklar ist, ob nach der Absetzung des Regierungschefs Pakistans mächtiges Militär einschreitet, das den Atomstaat die Hälfte seiner Existenz über regiert hat. Gerüchten zufolge soll Ashraf bereits Pakistan verlassen haben, um seiner Festnahme zuvorzukommen.

Ashraf war erst im Juni zum Premierminister bestellt worden, nachdem sein Vorgänger Yusuf Raza Gilani nach vier Jahren als Regierungschef sein Amt räumen musste. Das Oberste Gericht hatte ihn für "amtsunfähig" erklärt und ihm mit einem Haftbefehl gedroht.

Der 62-jährige Ashraf war bereits politisch angeschlagen, als er den Posten als Regierungschef übernahm. Als Wasser- und Stromminister im Kabinett von Ex-Premier Gilani hatte er wegen Inkompetenz und Korruptionsvorwürfen für Empörung gesorgt. Während das Land unter 20-stündigen Stromausfällen litt, kassierte Ashraf offenbar Millionen Dollar für die Vermietung von Stromwerken, was ihm den Spitznamen "Raja Rental" eintrug.

Die Ernennung von Ashraf im Juni war eher als ein Schritt von Präsident Asif Ali Zardari gesehen worden, den Posten des Premiers mit einem künftigen Bauernopfer zu besetzen, weil klar war, dass das Oberste Gericht erneut versuchen würde, den Regierungschef zu Fall zu bringen. Ohnehin muss im Frühjahr 2013 in Pakistan eine neue Regierung gewählt werden.

Laut Verfassung soll bereits drei Monate zuvor eine Übergangsregierung gebildet werden. Ein Wahltermin ist allerdings noch nicht angesetzt worden. Dies könnte nun in den kommenden Tagen geschehen.

Protest gegen Regierung

Die Regierung steht unter Druck, bald ein Datum für den Urnengang zu nennen, nachdem der moderate Geistliche Tahirul Qadri vor einem Monat in seine Heimat zurückgekehrt ist und eine Protestbewegung gegen die Regierung gestartet hat. Mit seinem "Millionen-Marsch" auf Islamabad wollen Qadri und seine Bewegung "Tahrik Minhajul Quran" Korruption und Amtsmissbrauch in der Politik anprangern und den Rücktritt der unbeliebten Regierung fordern. Unklar ist, wer Qadri, der sich jahrzehntelang aus der Politik herausgehalten hat, unterstützt. Gerüchten zufolge soll der Gelehrte vom pakistanischen Militär gefördert werden. Auch die USA sollen Qadri bei seinen politischen Ambitionen unterstützen, um eine moderate religiöse Kraft gegen die radikal-islamischen Gruppen in Pakistan zu etablieren. Qadri hat mehrere Fatwas, religiöse Bannsprüche, gegen Selbstmordattentäter erlassen.