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Baukultur macht noch keine Debattenkultur

Politik

Die Abgeordneten gelobten nach der Rückkehr ins renovierte Hohe Haus rhetorische Besserung. Viel hat sich bisher nicht geändert.


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Die hehren Absichten, die Debattenkultur im Nationalrat an die hohe bauliche Qualität des neurenovierten Parlamentsgebäudes anzupassen, müssen bereits nach der zweiten regulären Sitzung als zum Teil gescheitert bewertet werden. Dabei standen am Mittwoch zunächst gar keine besonders umstrittenen Beschlüsse auf der Tagesordnung, die von Diskussionen über diverse Volksbegehren geprägt war.

Doch schon die zweite Debatte des Tages zu einem Volksbegehren zur Impfpflicht ließ bei den Abgeordneten der FPÖ die Wogen hochgehen, führte aber auch zu entsprechend scharfen Reaktionen unter anderem der grünen Abgeordneten sowie dem SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher.

Die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures musste auch einen Ordnungsruf erteilen, da der freiheitliche Abgeordnete Hannes Amesbauer in einem Zwischenruf von einem "totalitären Regime, einem gewalttätigen Regime" gesprochen hatte. Amesbauer reagierte auf diesen Ordnungsruf mit einer gleichgültigen Geste.

SPÖ attackierte ÖVP, FPÖ

Auch danach blieb es hitzig, ähnlich wie am Vortag. Die Debatte über das Volksbegehren zu Anti-Korruptionsmaßnahmen nutzte die SPÖ zu verbalen Angriffen. Der stellvertretende Klubchef der SPÖ, Jörg Leichfried, rechnete zum wiederholten Mal mit der ÖVP, aber auch ausführlich mit der FPÖ ab. Er bezeichnete die Freiheitlichen als "um nichts besser als diese ÖVP". Beide Parteien seien die "gleichen korrupten Parteien, damit muss in diesem Land endlich Schluss sein". Die rote Justizsprecherin Selma Yildirim verstieg sich dann dazu, die ÖVP aufzufordern "ihre Kraken aus den Medienhäusern herauszuziehen", worauf sich wieder Bures einschaltete und Yildirim um Mäßigung ersuchte.

Harald Stefan, Wiener Abgeordneter der FPÖ, antwortete in seiner Rede Leichtfried: "Ich bin in Wien aufgewachsen und weiß, was Korruption ist. In Wien hat nie jemand eine Position bekommen, der nicht bei der SPÖ ist. Die Roten haben die Korruption zur Perfektion getrieben."

Nikolaus Scherak (Neos) platzte angesichts all dessen der Kragen: Von den Grünen höre er Ausreden, und "ÖVP, SPÖ und FPÖ werfen sich gegenseitig vor, wer korrupter ist". Die Aufgabe aller sei es aber, einander nicht mit Dreck zu bewerfen, sondern mit der Korruption endlich Schluss zu machen.

Mehr Sachlichkeit

Erst am Nachmittag standen Gesetzesbeschlüsse auf der Tagesordnung, unter anderem das neue Hinweisgeberschutzgesetz, das auf eine EU-Richtlinie zurückgeht. FPÖ, SPÖ und Neos ging das Vorhaben nicht weit genug, auch die Grünen schienen nicht restlos begeistert, verteidigten aber das mit der ÖVP gemeinsam ausverhandelte Gesetz. Es soll Whistleblower, die Missstände melden, besser absichern. Insgesamt beruhigte sich dabei die Diskussion. Zumindest zwischendurch.

Denn danach, als es um die gesetzliche Präzisierung der Anhebung der Frauenpensionen ging, schnellten die Emotionen wieder nach oben. Die "Wiener Zeitung" hatte über die Initiative kurz vor der Jahreswende berichtet. ÖVP und Grünen hatten die ab 2024 geplante schrittweise Anhebung, die vor rund 30 Jahren beschlossen wurde, bekonkretisiert, dabei aber eine kleine Verschiebung ins Gesetz aufgenommen. Die Neos hatten sich darüber beklagt, dass dadurch ohne Not hohe Kosten entstehen würden.

Wieder einmal krachten in der Sitzung die Abgeordneten der ÖVP und der SPÖ aneinander, wobei es dem roten Sozialsprecher Josef Muchitsch in seiner Rede um die Aliquotierung bei Pensionsanpassungen ging, je nachdem, in welchem Monat der Ruhestand angetreten wird. Muchitsch nannte dies angesichts der derzeitigen Inflation "Pensionsraub". Sein türkises Gegenüber, August Wöginger, beschwerte sich dann später über "Kasino-Parlamentarismus", als unter anderem die Hacklerpension vor der Nationalratswahl beschlossen wurde - mit Stimmen der SPÖ. Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek beschwerte sich bei Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und verlangte einen Ordnungsruf. Doch der kam nicht.

Wie bekannt wurde, hat die Regierung am Mittwoch auch die Einarbeitung der Stellungnahmen für das Energieeffizienzgesetz abgeschlossen und eine Regierungsvorlage ins Parlament geschickt. Türkis-Grün benötigt für den Beschluss die Zustimmung von SPÖ oder FPÖ. Das Gesetz schreibt den Ländern verbindliche Ziele vor, damit handelt es sich um Zwei-Drittel-Materie. (sir)