Ein Rundgang durch das neue Krankenhaus Nord, das spätestens Anfang 2019 in Betrieb gehen soll.
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Wien. Es gibt kaum ein großes Bauprojekt in Wien, das ohne Skandal verläuft. Ob der Bau des AKH oder die Renovierung des Stadthallenbades, die Ursachen sind unterschiedlicher Natur, der mediale Effekt ist immer derselbe: ein Skandal. Auch das neue Krankenhaus Nord, dessen Grundsteinlegung am 20. September 2012 erfolgte, ist höchst umstritten. Ob berechtigt oder nicht, ist aus unterschiedlichen Perspektiven zu beantworten. Tatsache ist, dass der Bau von Beginn an auch von Baufehlern begleitet wurde und die Fertigstellung sich Jahr um Jahr verzögert.
Aus Sicht eines Bauprofis sind diese Fehler oft Teil des alltäglichen Geschäfts, aus Sicht des Steuerzahlers schwebt über dem Ganzen ein großes Fragezeichen: Sind hier Fehler gemacht und unnötig Steuergelder verprasst worden?
Die Stadtregierung hat bereits Fehler eingestanden. Zu Beginn des Vorhabens sind laut Gesundheitsstadträtin Sandra Frauenberger Fehlentscheidungen getroffen worden. Unter anderem hätte der Krankenanstaltenverbund (KAV) seine Rolle als Bauherr nicht ausreichend wahrgenommen. Der Erkenntnis vorausgegangen ist ein Rechnungshof-Rohbericht, der vor kurzem medial durchgesickert ist. Demnach drohten dem Krankenhaus Mehrkosten von bis zu 400 Millionen Euro.
Tatsache ist aber auch, dass trotz Baufehlern, Konkursen von Firmen und rechtlichen Klagen der Bau unaufhörlich weiterging und noch weitergeht. Ein Rundgang zeigte, dass die Bauarbeiten in der Endphase sind. Laut Fachmännern soll das Krankenhaus Nord bis Ende des Jahres "zu 99 Prozent" zumindest baulich fertig sein. Und was wird dem Steuerzahler um die als Worst Case prognostizierten 1,4 Milliarden Euro nun geboten? Sehr viel, wie der Augenschein zeigt.
Die Fußbodenheizung läuft auf Hochtouren. Einige der Bauarbeiter stehen im kurzen Leiberl da. Laut KAV sind täglich rund 1000 Arbeiter - vom Tischler bis zum Überwachungspersonal - am Bau beschäftigt. Der Probebetrieb hat angefangen. Die Heizung läuft für die ersten Lüftungsabnahmen bereits durch. Die silbernen Klappen an den Decken stehen alle offen. Naturweiße, großflächige Bodenfliesen, kleinstabiger Eichen-Industrieparkett, Holzpulte, große Fenster, Fenstersitzbänke in gediegenen Farben: Das zukünftige Spital in der Brünner Straße in Floridsdorf sieht tatsächlich anders aus als die anderen KAV-Spitäler in Wien.
Statt vieler weißer, kahler Wände ist der Bau durch die vielen Glas-, Holz und Grünflächen und großzügig angelegten Gänge und Räume sehr offen gehalten. "Das Besondere daran ist, dass jeder einzelne Arbeitsraum natürliches Licht hat", erklärt Sylvia Schwarz, die medizinische Leiterin des KH Nord. Die hauseigene Apotheke in der Empfangsaula ist fast fertig. Die letzten Fliesen auf der 200 Meter langen Magistrale - der lange breite Gang, der durch das Spital führt - werden gerade verlegt. Viele der Boden- und Wandflächen sind noch zugeklebt, um diese vor Schaden zu bewahren. Es gibt nur Ein- oder Zweibettzimmer. "Die Keimbelastung ist hoch. Die Zimmer sind für die Patienten damit sicherer und hygienischer", sagt Schwarz zur "Wiener Zeitung". Neu sei die Terminambulanz. Der Patient mache sich einen Termin vorher telefonisch aus. "Dann muss man nicht mehr stundenlang warten. Die Wartezeit soll damit höchstens 30 Minuten betragen", so Schwarz.
Die Schwerpunkte werden die Herz- und Gefäßchirurgie sein sowie ein Orthopädisch-Traumatologisches und ein Eltern-Kind-Zentrum. Auch eine Kinder- und Jugendpsychiatrie wird mit 24 Betten neu geschaffen. Die Kinder sind im hinteren Teil des Spitals untergebracht. Im vorderen Teil wird eine heilpädagogische Schule für sie eingerichtet. "Dann haben sie sozusagen einen Schulweg." Und im Garten ist neben Spielgeräten auch eine Fläche für gemeinsames Essen vorgesehen.
Das Krankenhaus Floridsdorf, Gersthof und die Semmelweis Klinik übersiedeln laut Schwarz komplett ins Krankenhaus Nord. Aus Hietzing kommt die Kardio-Abteilung, aus dem Otto-Wagner-Spital die Lungenfachabteilung und aus der Rudolfstiftung die Kinderabteilung. Ob es in der Rudolfstiftung dann keine Kinderambulanz mehr gibt, ist laut Schwarz aber noch umstritten. "Das ist die große Frage", sagt sie.
Neu sei auch der Triage-Raum gleich beim Eingang, der zu allererst den Patienten erwartet. Dort werde entschieden, wohin der Patient als Nächstes kommt. Wenn es der Operationssaal ist, dann stehen 16 Säle zur Verfügung. Diese sollen von 8 bis 19 Uhr bespielt werden, drei davon werden rund um die Uhr besetzt sein. Ein Operationssaal ist für Notfallkaiserschnitte stets freigehalten.
Von Baumängel ist auf den ersten Blick nichts zu sehen. Die Bauarbeiten liegen in den Endzügen. Das Spital scheint bis ins kleinste Detail durchgeplant zu sein - von den nichtallergenen Pflanzen im Garten über Spielgeräte bis zu Temperaturreglern in jedem Raum. In den Gängen befinden sich Lichtbänder an den Decken, die gedämpft sind und nicht blenden, wenn der Patient auf einem Liegebett durchgeführt wird. Die Wartebereiche sind relativ klein gehalten und ebenfalls mit einem Blick ins Grüne gestaltet worden. Das gesamte Spital ist laut Schwarz mit den Mitarbeitern entwickelt worden. "Die Kästen etwa haben keine Griffe. Das hat sich das Reinigungspersonal gewünscht", sagt sie. In den Untersuchungsräumen stehen Sessel für adipöse Patienten. Ein beweglicher Hocker wurde von den Ärzten urgiert.
Wann das Spital für Patienten geöffnet wird, kann aber auch Schwarz nicht genau sagen. "Wir müssen rund 2500 Mitarbeiter einschulen. Das braucht Zeit", sagt sie. Im Jahr 2018 soll mit der Inbetriebnahme begonnen werden. Mit Simulationspuppen werden Abläufe durchgespielt - normale Abläufe, aber auch Notfallsituationen. Alles sei medizintechnisch am neuesten Stand. "In der Intensivstation können wir alle Organe unterstützen", sagt sie. Dort sind bereits die ersten Geräte installiert worden. Die Intensivstation erstreckt sich über mehrere Räume, die mit Glasfenster miteinander verbunden sind. "Damit kann man sich schnell verständigen, wenn mal Hilfe in einem anderen Raum gebraucht wird", sagt die medizinische Leiterin des Spitals. Der Blick aus den Fenstern in dieser Station fällt auf große, grüne Pflanzen.
Das Krankenhaus Nord wurde von Architekt Albert Wimmer als modernes Spital mit dem Konzept der Salutogenese entworfen. Das Spital soll mithilfe räumlicher Gestaltung die Gesundheit fördern. Der Patient soll auch räumlich den "Weg der Genesung" gehen, erklärt eine KAV-Mitarbeiterin. Jeder Trakt habe Zugang zu einer Loggia, einer Terrasse oder dem Garten. Der Patient könne sich zunächst auf einer begrünten Loggia aufhalten, dann auf den Dachgarten mit den vielen Bäumen gehen und als letzten Schritt bewegt er sich im großen Garten unten. "Wenn sich der Patient im Garten bewegen kann, kann er eigentlich schon nach Hause gehen."
Während ein Bauarbeiter an einem Klebestreifen am Türrahmen zieht, klappt ein KAV-Mitarbeiter eine Trennwand in einem Zweibettzimmer aus. "Wir haben lang daran getüftelt, wie die Patienten Privatsphäre haben können, ohne Tageslicht zu verlieren", erklärt er, ohne aufzusehen. Die Trennwand reicht nicht bis ganz zur Decke, sodass der zweite bei der Tür liegende Patient nicht komplett abgeschirmt wird. Auch ein Monitor hängt von der Decke. Dieser soll alle technologischen Voraussetzungen mitbringen. Auch die Anweisungen könnten damit elektronisch übermittelt werden. "Sie haben morgen um 9 Uhr einen Röntgentermin. Bitte bleiben Sie heute ab 23 Uhr nüchtern", steht darauf geschrieben.
Von der gepolsterten Fenstersitzbank, wo Angehörige bei Bedarf auch übernachten können sollen, fällt der Blick hinaus auf die Schnellbahnstation Brünner Straße. Wenn sie fährt, hört man fast nichts. Und sie soll viertelstündlich fahren. Ein Bus soll mit der Inbetriebnahme von der U1 ebenfalls dorthin geleitet werden und die Straßenbahnlinie 31 fährt auch direkt zum Krankenhaus. "Das Herausfordernde wird sein, dass die Wiener Bevölkerung lernen muss, dass nicht alle Spitäler alles anbieten können", sagt Schwarz. Es müsse Schwerpunkte geben, um wirklich gut sein zu können, ist sie überzeugt.
Das Krankenhaus Nord in Floridsdorf ist mit 111.000 Quadratmetern so groß wie elf Fußballfelder. Fünf davon sind begrünt. Es besteht aus 8000 Räumen. Mehr als 10.000 medizinischtechnische Geräte werden ab Jänner 2018 untergebracht. Rund 2500 Mitarbeiter stehen damit kurz vor ihrer Einschulung. Mit der vorzeitigen Auflösung des Vertrags von Udo Janßen Anfang des Jahres hat der KAV keinen Generaldirektor mehr. Es wurde beschlossen, erst eine neue Rechtsform für den KAV zu finden und dann einen neuen Geschäftsführer zu bestellen. Das neue Gesetz soll Anfang März 2018 beschlossen werden. Der KAV erhält damit Personal- und Finanzhoheit. Eine neue Führung soll es ab 2019 geben.
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