Weniger regionale Probleme, sondern die ungelösten Fragen des Bundes haben die Landtagswahlen mitbestimmt.
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Wien. Wahlschlappe, Debakel, Desaster. Ausdrücke für das Wahlergebnis von SPÖ und ÖVP in der Steiermark und im Burgenland fielen am Sonntag viele, am Ergebnis ändert das nichts: Die FPÖ legte bei den Landtagswahlen in beiden Bundesländern kräftig zu und kam nahe an SPÖ und ÖVP heran. Ausschlaggebend dafür dürften aber nicht regionalpolitische Probleme gewesen sein. Es war offensichtlich eine grundsätzliche Unzufriedenheit mit der Bundespolitik, die bei diesen Wahlen zum Ausdruck kam. Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts OGM hat ergeben, dass 62 Prozent der Steirer mit der Bundesregierung nicht zufrieden sind. Hätten die Österreicher am Sonntag einen neuen Nationalrat gewählt, wäre das Ergebnis für SPÖ und ÖVP vermutlich ähnlich desaströs gewesen.
Es gibt einfach zu viele offene Baustellen, aufgrund derer sich der Missmut unter den Wählern manifestiert. Dass just unmittelbar vor den Landtagswahlen das Thema Asyl erneut aufflammte, war freilich ein unglücklicher Zeitpunkt. Andere Baustellen hingegen sind altbekannt. Die steigende Arbeitslosigkeit zum Beispiel oder die Ängste rund um das Pensionssystem begleiten die Wähler schon lange.
Rekord an Asylsuchenden
Der Rekord an Flüchtlingszahlen und die daraus resultierende Errichtung von Zeltstädten dürfte diese aber wohl am stärksten beeinflusst haben. In den vergangenen Wochen kursierte fast schon täglich ein neuer Tages-Höchststand an Asylanträgen, erst vergangenen Freitag wurde dieser mit 321 Anträgen erneut erreicht. Der Mai 2015 wird Prognosen zufolge mit mehr als 6000 Asylanträgen der stärkste Monat seit Beginn der Statistiken sein. In Linz und Thalham in Oberösterreich sowie in Salzburg stehen bereits zahlreiche Flüchtlingszelte, aktuell werden weitere errichtet. Damit wird bald die Zahl von insgesamt 72 Zelten erreicht sein.
Beim Gerangel um die Schaffung von Asylquartieren ist genauso wie vor den Wahlen keine Einigung in Sicht. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) forderte am Montag die Länder erneut auf, in den vom Bundesheer zur Verfügung gestellten Kasernen Quartiere einzurichten. Die Länder lehnten das wenig überraschend ab. Gleichzeitig appellierte Mikl-Leitner an diese, endlich ihre Quote zu erfüllen. Nach wie vor sind alle Bundesländer bis auf Wien, Niederösterreich und die Steiermark bei der Bereitstellung von Flüchtlingsquartieren säumig.
Was die Entscheidung der Wähler in den Wahlkabinen mitbeeinflusst hat, ist vermutlich die blanke Angst vor dem Flüchtlingsansturm - und die offenbare Inkompetenz der derzeitigen Regierung, eine langfristige Lösung zu finden. Das Asyl-Thema sei ein Sinnbild für das Leadership-Versagen der beiden Parteien, hieß es auch prompt nach den Wahlen von der FPÖ.
Rekord an Arbeitslosen
Doch nicht nur die Zahl an Asylsuchenden steigt. Auch bei den Arbeitssuchenden überschlagen sich die Rekordmeldungen. Zuletzt am Montag: Die Arbeitslosigkeit in Österreich ist im Mai wieder gestiegen, hieß es. Im Vergleich zum Vorjahresmonat waren um 6,9 Prozent mehr Menschen ohne Job, insgesamt gab es fast 400.000 Arbeitssuchende. Die nationale Arbeitslosenquote stieg um 0,9 Punkte auf 8,6 Prozent. AMS-Vorstand Johannes Kopf rechnet für heuer und nächstes Jahr nicht mit einer Entwarnung. Die Arbeitslosigkeit in Österreichs sei die höchste, die jemals gemessen wurde.
Das ist Wasser auf die Mühlen der Politikverdrossenen, der Unzufriedenen. Die Ursachen der hohen Arbeitslosenzahlen liegen auf der Hand. Es ist eine Kombination aus einer seit Jahren anhaltenden Stagnation der Wirtschaft und einem wachsenden Arbeitskräftepotenzial durch Zuwanderung. Oder, einfacher ausgedrückt: Für immer mehr Arbeitssuchenden gibt es immer weniger Jobs. Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) erwartet sich durch die konjunkturbelebende Wirkung der Steuerreform und den Ausbau des Breitbandnetzes eine Entlastung, sagte er. Der Vorschlag der FPÖ dazu: Sie fordert eine sektorale Schließung des österreichischen Arbeitsmarktes "für Nicht-EU-Bürger und EU-Bürger".
Rekord an Pensionisten
Um einiges härter muss Hundstorfer an einer anderen Front kämpfen - und zwar, wenn es ums Pensionssystem geht. Dieses sei auf die Dauer nicht finanzierbar, sagt etwa ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel. Man müsse endlich Maßnahmen setzen.
Hundstorfer hält jedoch am geplanten Termin für die Angleichung des gesetzlichen Frauenpensionsantrittsalters (derzeit 60) an jenes der Männer (65) fest. Es soll erst ab 2024 angehoben werden. Damit erhofft man sich, dass mehr Geld in die Pensionen sprudelt, für die der Bund jährlich 10,6 Milliarden Euro zuschießen muss. Auch die Beschäftigungsquote der älteren Erwerbsfähigen muss Hundstorfer zufolge stark gehoben werden, etwa durch Anreize wie das Bonus-Malus-System. Die Zeit drängt jedenfalls. Denn bereits ab 2020 ist prognostiziert, dass die geburtsstarken Jahrgänge zurückgehen werden. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Pensionisten stetig zu. Aktuell sind es rund 2,5 Millionen.
Wie auch immer. Selbst die Steuerreform und die damit verbundenen, angekündigten finanziellen Vorteile konnten am Missmut zahlreicher Wähler offenbar wenig ändern. Zu oft wurden die Vorteile durch Gegenrechnungen (höhere Mehrwertsteuer, Registrierkassenpflicht) ausgehebelt. Hiobsbotschaften über das Fallen des Bankgeheimnisses oder die Anhebung der Grunderwerbssteuer prägten die Grundstimmung: dass dann, wenn sich etwas bewegt, doch nur alles noch schlechter wird.