Politiker als Zeuge im Bawag-Prozess. | ÖGB verlor fast drei Milliarden Euro. | Wien. "Eine Bank in dieser Größenordnung kann Verluste haben, aber mehr als eine Milliarde, das ist außergewöhnlich", so die Einschätzung von Kurt Faltlhauser. Der bayrische Finanzminister war am Dienstag, dem 24. Tag im Bawag-Prozess, als Zeuge geladen. Außergewöhnlich ist für den CSU-Politiker nicht nur die Höhe der Verluste, sondern auch, dass nach den ersten Verlusten der selbe Fehler nocheinmal begangen wurde und darüber hinaus der Aufsichtsrat nicht informiert wurde.
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Faltlhauser saß als Vertreter der Bayerischen Landesbank (BayernLB) von 1998 bis 2004 im Aufsichtsrat der Bawag. Von den Sondergeschäften mit Wolfgang Flöttl und den Verlusten von insgesamt 1,44 Milliarden Euro erfuhr er erst 2006 aus den Medien, zwei Jahre nachdem sich die BayernLB von ihrer 46-Prozent-Beteiligung an der Bawag getrennt hatte.
Als Ex-Bawag-Chef Helmut Elsner einwarf, man hätte die Aufsichtsräte natürlich informiert, wenn sie gefragt hätten, entgegnete Faltlhauser, es sei sehr wohl nachgefragt worden. Dann habe es immer geheißen, es sei alles im grünen Bereich.
"Deckel drauf"
"Es geht nie gut, wenn Sie etwas vertuschen wollen", so Faltlhauser. In der BayernLB "wäre bei 639 Millionen Verlust (erster Totalverlust im Oktober 1998, Anm.) routinemäßig eine Sonderprüfung durchgeführt worden." Stattdessen sei in der Bawag einfach der "Deckel drauf" gehalten worden.
Auch die Argumentation der Angeklagten, wonach der Aufsichtsrat nicht informiert worden war, um ein Publikwerden der Verluste zu vermeiden, kann Faltl-hauser nicht nachvollziehen: "Es gibt immer Indiskretionen, das kann man nie ausschalten, aber das befreit Sie nicht von Informationsverpflichtungen".
"Darüber kann man durchaus diskutieren", meinte Elsners Anwalt Wolfgang Schubert. "Darüber kann man nicht diskutieren", entgegnete Faltlhauser entschieden.
Auf die Frage, ob die BayernLB durch den Skandal Schaden erlitten habe, meinte der Minister: "Indirekt sicher", und zwar in Form einer gewissen Rufschädigung.
Gibts den Streikfonds?
Viel direkter Schaden hat der damalige Mehrheitseigentümer der Bawag, der Gewerkschaftsbund (ÖGB), genommen. Clemens Schneider, seit Mai 2006 ÖGB-Finanzchef, rechnete dem Gericht detailliert vor, dass vom Verkaufspreis von 3,21 Milliarden Euro nach Abzug diverser Posten (etwa Eigenkapitaleinschuss, Refco-Vergleich) dem ÖGB letztlich nur 136 Millionen übrig geblieben sind.
Vor allem ein 1,6-Milliarden-Euro-Kredit des ÖGB bei der Bawag PSK, der zurückgezahlt werden musste, drückte den Gewinn. Insgesamt sprach Schneider von einem Schaden von 2,88 Milliarden Euro für den ÖGB. Dazu kam alleine im Vorjahr ein Verlust von 70.000 Mitgliedern.
Die Frage, ob es denn den Streikfonds des ÖGB noch gebe, verneinte Schneider: "Der Streikfonds hat immer aus den Anteilen an der Bawag bestanden." Man arbeite im ÖGB aber daran, einen neuen "Agitationsfonds" zu bilden.