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Bawag drohte im Jahr 2000 die Insolvenz

Von Harald Waiglein

Wirtschaft

Fast 1 Mrd. Euro Verlust in Karibik. | Garantien des ÖGB, um Bilanz 2000 zu ermöglichen. | Nur Vorstand, Weninger, Verzetnitsch wussten davon. | Wien. Die Bawag hat nun erstmals Details über ihre umstrittenen Spekulationsgeschäfte in der Vergangenheit auf den Tisch gelegt. Demnach war die Lage der Bank im Jahr 2000 prekärer als bisher vermutet. Der Investment-Banker Wolfgang Flöttl, Sohn des früheren Bawag-Generaldirektors Walter Flöttl, hatte als Treuhänder für die Bawag in der Karibik mit Zins- und Währungsspekulationen zwischen 1995 und 2000 etwa 1,3 Mrd. Euro in den Sand gesetzt.


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Dem standen Vermögenswerte unter anderem durch die Pfändung von Flöttls Vermögen im Jahr 2001 von etwa 300 Mio. Euro gegenüber, wodurch der Schaden für die Bawag letztlich knapp unter 1 Mrd. Euro betrug.

Weninger sprang ein

Bawag-Aufsichtsratspräsident und ÖGB-Finanzchef Günter Weninger sagt, die Bank hätte damals keine Bilanz zustande gebracht. Er habe unter Einbindung von Juristen abgewogen, was zu tun sei. Er sei zum Schluss gekommen, dass man niemanden über die Verluste informieren sollte. Denn eine öffentliche Diskussion darüber hätte die Stabilität der Bank gefährden können. Die Bilanzprüfer hätten ihm gesagt, dass man die Situation nur durch Sicherstellungen von Dritten beheben könne. Er habe daraufhin ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch vorgeschlagen, dass der ÖGB, unter anderem über den Streikfonds, Haftungen für die Bawag übernehmen solle. Das sei auch geschehen. Außer ihm dem Bawag-Vorstand und Verzetnitsch sei niemand informiert worden, sagt Weninger, auch die anderen Aufsichtsratsmitglieder der Bawag nicht. Weniger betont, er habe richtig gehandelt. Denn "der Schaden, der aus einer Bawag-Insolvenz für den ÖGB entstanden wäre, wäre größer als die Garantien gewesen." Abgesehen davon seien die Garantien nie schlagend geworden. Die Bank sei heute wieder stabil. Weder Kunden, noch Beschäftigte, noch der ÖGB seien dadurch zu Schaden gekommen. Weninger will dennoch am 6. April, wenn sein Mandat ausläuft, aus dem Aufsichtsrat der Bawag ausscheiden.

Japanische Swaps

Der neue Bawag-Generaldirektor Ewald Nowotny erläutert die Karibik-Geschäfte so: Zwischen der Bawag und Wolfgang Flöttl habe es ein Treuhandverhältnis für Investments gegeben. In dessen Rahmen habe man auch eine Anlagestrategie vereinbart. Flöttl habe sich aber über diese Vereinbarung hinweg gesetzt und unter anderem 350 Mio. Euro auf japanische Zins-Swaps (eine hochriskante Währungs-Tausch-Vereinbarung) gesetzt. Durch die Asien-Krise sei diese Wette nicht aufgegangen, und habe insgesamt zu fast einer Milliarde Euro Verlust geführt. Diese Verluste wurden in den Bilanzen der Bawag bereits verdaut. Offen seien noch 120 Mio. Euro. Diese stammen aber nicht von Flöttl, sondern aus einer Fehlinvestition der Bawag in das Spielcasino der Casinos Austria in Jericho.

Die sogenannten Pipe-Geschäfte hatten mit der Karibik nichts zu tun und waren auch vom Volumen relativ bedeutungslos. Insgesamt hat die Bawag rund 70 Mio. Euro im Pipe-Geschäft investiert. Verluste daraus gab es nicht.

Nowotny sagt, man werde prüfen, ob es für die Bawag eine Basis für Schadenersatzklagen gegen Flöttl gibt. Der frühere Generaldirektor Helmut Elsner, in dessen Zeit die Karibik-Geschäfte fallen, werde aus dem Vorstand der Lotterien, an denen die Bawag mit 34 Prozent beteiligt ist, ausscheiden müssen. Personelle Konsequenzen im derzeitigen Bawag-Vorstand ließ der Generaldirektor offen. Es gebe keine Hinweise darauf, dass die Vergabe des 400-Mio-Blitzkredites an den US-Broker Refco im Vorjahr im Zusammenhang mit den Karibik-Verlusten stehe, sagt der stellvertretende Bawag-Generaldirektor Stefan Koren. Man könne es andererseits auch nicht kategorisch ausschließen, denn: "Wir wissen es einfach nicht."

Die Finanzmarktaufsicht hat auf die neuen Informationen reagiert. Sie will erneut eine Sonderprüfung der Bawag durchführen. Zu rechtlichen Folgen hält sich die FMA aber bedeckt.

Kommentar:

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