Flöttl setzte auf Hebelwirkung. | Elsner: "Bank über den Tisch gezogen". | Wien. Am zehnten Tag im Bawag-Prozess erklärte der angeklagte Investmentbanker Wolfgang Flöttl am Dienstag, wie es im Oktober 1998 zum Totalverlust von 639 Millionen Dollar an Bawag-Geldern kommen konnte - und zwar so, dass es endlich für jedermann verständlich war.
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Flöttls Erklärung: Man hat Eigenkapital von zehn Dollar, zusätzlich nimmt man einen Kredit über 50 Dollar auf, allerdings in Yen. Mit diesen insgesamt 60 Dollar kauft man Anleihen. Sind die Renditen für die Anleihen höher als die Kreditzinsen, gewinnt man - und zwar wesentlich mehr, als man nur mit dem Eigenkapital gewonnen hätte, da ja die investierte Summe wesentlich höher liegt. Dieser Effekt der Hebelwirkung durch Fremdfinanzierung heißt Leverage.
Man kann aber vor allem auch viel gewinnen, wenn der Yen gegenüber dem Dollar an Wert verliert, da der Kredit dann billiger wird. Gibt der Yen etwa um zehn Prozent nach, muss man für den aufgenommenen 50-Dollar-Kredit nur 45 zurückzahlen. Es bleiben einem somit 15 Dollar übrig, das Eigenkapital wurde um 50 Prozent erhöht. So der Idealfall.
Flöttls Pech war freilich, dass der Yen wider Erwarten nicht an Wert verlor, sondern gegenüber dem Dollar im Verlauf des Oktober 1998 um mehr als 20 Prozent zulegte. Somit musste man für den 50-Dollar-Kredit plötzlich 60 Dollar zurückzahlen. Somit war auch das Eigenkapital futsch, der Totalverlust eingetreten.
Mehr als 750 Millionen Dollar verzockt
In Flöttls Fall waren es jedoch nicht zehn Dollar Eigenkapital, sondern 758 Millionen (639 Millionen von der Bawag, der Rest von Flöttl selber). Der Kredit, der - wie üblich - bei Brokern aufgenommen wurde, waren nicht 50 Dollar, sondern wahrscheinlich mehr als 3,5 Milliarden, da von einem Leverage von mindestens 1:5 ausgegangen werden kann. Erst infolge dieser Fremdfinanzierung in Yen konnte das gesamte Geld verloren gehen.
Wäre man in Dollar geblieben, hätte es keine Verluste gegeben, gab Flöttl zu und übernahm die Verantwortung für diesen "Investmentfehler". Allerdings habe er nicht vertragswidrig gehandelt, sondern das Recht zu diesen Transaktionen gehabt. Flöttl: "Es war uns explizit im Vertrag erlaubt." Außerdem sei diese Veränderung beim Yen nicht zu erwarten gewesen.
Der Hauptangeklagte im Bawag-Prozess, Ex-Generaldirektor Helmut Elsner, griff daraufhin Flöttl scharf an. Von Leverage sei nie die Rede gewesen. Und wenn, dann nicht in einem Ausmaß, das das Kapital der Bank gefährdet hätte. Es sei ihm nicht bewusst gewesen, dass Flöttl so ein hohes Risiko eingehe. "Nach dem, was heute diskutiert wird, hab ich den Eindruck, er hat die Bank über den Tisch gezogen", so Elsner.
Wann wusste Elsner von den Verlusten?
Auch bei der Frage, wann der Ex-Bawag-Chef von den Verlusten erfahren hat, gerieten sich Elsner und Flöttl in die Haare. Elsner gab an, erst Mitte Oktober von Flöttl über den Totalverlust informiert worden zu sein. Dieser wiederum behauptet, bereits Anfang Oktober, als sich Probleme abzeichneten, mit Elsner darüber gesprochen zu haben. Elsner dazu: "Wenn er das behauptet, kann ich ihm nicht einmal unterstellen, dass er irrt. Dann lügt er."