Strafrechtler hält Bawag-Verfahren für rechtlich übersteuert. | Urteil für 3. oder 4. Juli erwartet. | Wien. Der Bawag-Prozess biegt endgültig in die Zielgerade. Wenn alles gut geht, wird Richterin Claudia Bandion-Ortner heute, Montag, das Beweisverfahren beenden. Dann folgen die Plädoyers der Anwälte, die letzten Worte der Angeklagten und Anfang Juli das Urteil. Damit endet ein regelrechter Mammutprozess.
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Als das Verfahren gegen Helmut Elsner und acht weitere Angeklagte am 16. Juli 2007 begann, war allen Beteiligten klar, dass der geplante Urteilstermin (31. Oktober 2007) kaum einzuhalten war. Zu umfangreich war die Materie. Dass sich der Prozess aber dermaßen hinziehen würde, hätte sich wohl keiner gedacht. Aus ursprünglich 44 wurden bislang 111 Verhandlungstage. Das Urteil ist für Tag 117 (3. oder 4. Juli) geplant.
"Ausführlich und genau"
Für den Wiener Strafrechtsprofessor Frank Höpfel ist die lange Prozessdauer nicht das Problem: "Es ist ein großer Fall und es ist wichtig, dass das ausführlich und genau gemacht wird." Allerdings findet Höpfel, dass "rechtlich übersteuert" wurde: "Strafrecht bedeutet zwar individuelle Verantwortung, aber das kann leicht entgleisen. Wenn ein Fall von Misswirtschaft und Korruption verfolgt wird, dann sollte man ein bisschen über den einzelnen Angeklagten hinaus die problematischen Strukturen ansprechen."
Bezüglich der individuellen Schuld machen sich die Angeklagten wohl keine Illusionen mehr. Spätestens seit dem Teilurteil gegen Elsner, Peter Nakowitz und Ex-Konsum-Chef Hermann Gerharter ist ihnen klar, was sie erwartet.
Mit dem Urteil wird für sie die Causa außerdem kaum ausgestanden sein. Sowohl die Bawag selbst, als auch der frühere Eigentümer ÖGB wollen sich auf zivilrechtlichem Weg an den Verantwortlichen schadlos halten.