Neuer deutscher Pharmariese steht weltweit auf Rang 7. | Merck gibt auf. | Berlin/Wuppertal. So schnell wie im Fall des Berliner Schering-Konzerns ist selten ein feindliches Übernahmeangebot gescheitert: Nach weniger als zwei Wochen bereits musste die Darmstädter Merck-Gruppe die Segel streichen. Im Eiltempo schlüpfte der Leverkusener Konkurrent Bayer in die Rolle des "Weißen Ritters" - so werden in der Finanzwelt jene Unternehmen genannt, die einer von einem feindlichen Zugriff bedrohten Firma zu Hilfe kommen. Schering verliert zwar dennoch die Eigenständigkeit und möglicherweise auch Tausende Jobs - Bayer zahlt allerdings deutlich mehr und sichert dem Standort Berlin den Sitz der künftig mächtigen Pharmasparte mit einem Umsatz von mehr als neun Milliarden Euro zu.
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Der Bayer-Konzern entschied den Übernahmepoker um Schering mit einem kräftigen Preisaufschlag für sich - man bietet 86 statt 77 Euro pro Aktie - und will im künftigen gemeinsamen Unternehmen bis zu 6.000 Arbeitsplätze streichen. Diese Größenordnung ergebe sich als Erfahrungswert, sagte Bayer-Chef Werner Wenning am Freitag.
Bayer schlug den Darmstädter Pharma-Konzern Merck mit einem Gebot von insgesamt 16,3 Mrd. Euro aus dem Rennen. Merck gab am Freitag - 17 Stunden nach Bekanntwerden des Gegenangebots, auf - man wolle nicht mehr zahlen. Schering empfahl seinen Aktionären die Annahme des Bayer-Offertes.
Größter deutscher Pharmakonzern
Die neue "Bayer Schering Pharma" mit Sitz in Berlin wird die Branche in Deutschland mit großen Abstand anführen und weltweit auf Rang sieben stehen. Aus einer Hand kommen dann Mittel wie Aspirin (Bayer) und die Anti-Baby-Pille Yasmin (Schering). Nähere Angaben zum Stellenabbau, zum Beispiel darüber, ob es zu betriebsbedingten Kündigungen kommen werde, könne er noch nicht machen, sagte Wenning in einer Analystenkonferenz. Die Erfahrung zeige aber, dass das Einsparpotenzial bei etwa zehn Prozent der Mitarbeiter liege. Die Sparte Bayer HealthCare beschäftigt fast 34.000 Mitarbeiter, Schering hat knapp 25.000 Arbeitsplätze.
Bayer und Schering sind jeweils in mehr als 100 Ländern tätig. Deshalb sollen die Strukturen weltweit zusammengeführt werden. Dabei gebe es Einsparungspotenzial in der Infrastruktur, aber auch im IT-Bereich und dem Rohstoff-Einkauf böten sich Kostenvorteile. Den erwarteten Synergieeffekten von 700 Millionen Euro pro Jahr ab 2009 stünden einmalige Umbaukosten von rund einer Milliarde Euro gegenüber, hieß es.
Merck hatte 77 Euro je Aktie oder insgesamt 14,6 Mrd. Euro für Schering geboten. Der Aktienpreis war in Erwartung eines höheren Offerts aber bereits bis Donnerstagabend auf 84,97 Euro geklettert. Am Freitag nahm die Aufgabe von Merck der Schering-Aktie den Wind aus den Segeln. Der zeitweise Kursgewinn von mehr als vier Prozent schmolz auf ein Plus von knapp merh al ein Prozent.
"Trostpreis" für Merck durch Kursanstieg
Nach letzten verfügbaren Angaben befanden sich 68 Prozent der Schering-Aktien in der Hand institutioneller Investoren. Größter Einzelaktionär der Schering AG ist demnach die Münchner Allianz mit mehr als 10 Prozent. Merck hielt zuletzt rund 5 Prozent - und könnte bei dessen Verkauf nach Analysten-Einschätzung angesichts des Kursanstiegs - als Trostpreis - einen Gewinn von 250 bis 300 Millionen Euro erzielen.