München - Als Edmund Stoiber CSU-Generalsekretär und später bayerischer Innenminister war, verschaffte er sich mit ätzendem Vokabular den Ruf eines "blonden Fallbeils". Angesichts des zunehmenden Ausländeranteils etwa warnte er vor einer "durchrassten Gesellschaft". Zur "Homo-Ehe" sagte er: "Wenn ich über steuer- und erbrechtliche Anerkennung von homosexuellen Paaren diskutiere, dann kann ich gleich über Teufelsanbetung diskutieren." Ein Satz, den ihm heute die Schwulen- und Lesbenverbände um die Ohren hauen. Denn obwohl Stoibers Ton als Ministerpräsident milder geworden ist, fühlen sie sich durch seine Politik weiter diskriminiert.
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Das jüngste Beispiel wurde am Dienstag abgesegnet: Das Kabinett brachte einen Gesetzesentwurf auf den Weg, der homosexuellen Paaren bei der Eintragung ihrer Lebensgemeinschaft den Gang vor das Standesamt verwehrt und sie stattdessen an den Notar verweist. Nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVG) den Eilantrag Bayerns gegen das Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes für Schwule und Lesben abgeschmettert hat, muss die Regelung auch im Freistaat am 1. August umgesetzt werden. Doch dazu sieht sich Bayern außer Stande - obwohl die "Homo-Ehe" bereits im vergangenen Jahr vom Bundestag beschlossen wurde.
Vermutlich im Oktober werde es soweit sein, sagte Stoiber am Montag in München. Vorher stehen noch die Lesungen eines entsprechenden Gesetzentwurfs im Landtag an, nur ist der derzeit im Urlaub. Während andere Bundesländer zum Teil mit Eilverordnungen auf den Richterspruch reagierten, herrscht im Freistaat keine Eile. "Bei uns geht das schon von der Verfassung her nicht über den Verwaltungsweg", sagt Gerhard Zierl, Sprecher von Justizminister Manfred Weiß (CSU).
Dass die sture Haltung bei Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) und Homosexuellen-Vereinigungen auf Protest gestoßen ist, berührt Stoiber nicht. Er sei unbekümmert von "irgendwelchen Vorwürfen der Schwulen" oder Däubler-Gmelins, sagt er lässig. "Das kümmert uns reichlich wenig." Ähnlich aufreizend verhielt sich der Freistaat schon beim Kruzifixstreit und der Neuregelung der Abtreibung: Nach dem urbayerischen Motto "Mir san mir" wollte der Freistaat die Kreuze in den staatlichen Schulen halten. Und Frauen sollten bei einer Abtreibung die Gründe dafür angeben müssen. Doch in beiden Fällen unterlag die CSU-Regierung den Karlsruher Richtern.
Im Fall der "Homo-Ehe" geben sich Stoiber und Co. allerdings weiter optimistisch. Das letzte Wort darüber ist in Karlsruhe noch nicht gesprochen, heißt es in München mit Verweis darauf, das die BVG-Entscheidung in der Hauptsache noch aussteht. Bis dahin sollen mit der Notariats-Regelung offensichtlich fröhliche Feiern schwuler und lesbischer Paare vor den Standesämtern vermieden werden. Beim Notar gehe der Eintrag ja ohne großes Tamtam, das viele Homosexuelle sicher auch gar nicht wollten, meinte Innenminister Günther Beckstein (CSU).
Der Lesben- und Schwulenverband LSVD will auf den Ausschluss mit einer ganzen Klagewelle reagieren. Doch vermutlich bleibt dies erfolglos, schätzen Juristen. Das Bundesgesetz verlangt zwar, dass die "Homo-Ehe" von einer Behörde vorgenommen wird. Doch sind wegen einer speziellen bayerischen Regelung Notare im Freistaat in einer Sonderrolle und können Behörden-Aufgaben übernehmen.
"Das ist total diskriminierend," schimpft Alexander Pöttinger über die Pläne, die Stoiber allerdings noch nicht als hundertprozentig feststehend bezeichnet. Pöttinger ist CSU-Mitglied und gehört zu den wenigen Homosexuellen der CSU, die sich der Vereinigung "Lesben und Schwule in der Union" angeschlossen haben. "Wir verschließen uns mit dieser Politik einer jungen Klientel", meint der Münchner. Außerdem habe das für den Freistaat auch finanziell Folgen. Ein befreundetes Paar von ihm habe bereits seinen Erstwohnsitz nach Hamburg verlagert und heirate demnächst dort. "Bisher haben die jedes Jahr weit über 100.000 Mark (703.553 S) Steuern in Bayern bezahlt." Auch wenn nicht jeder gleich das Land verlassen kann, über eins ist sich der CSUler sicher: "Ab August setzt ein richtiger Hochzeitstourismus in andere Bundesländer ein."