Die Essls und ihre anachronistisch familiäre Kunstsammlungstätigkeit.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Klosterneuburg. "Wir sind die Fassung, die Künstler sind die Diamanten", so hat das Ehepaar Agnes (77) und Karlheinz Essl (74) vor fünf Jahren seine Sammeltätigkeit auf den Punkt gebracht. Da feierte das Essl-Museum zehnjähriges Jubiläum. Zu sammeln haben die beiden schon viele Jahre zuvor begonnen. In den 70er Jahren kaufen sie erstmals gezielt zeitgenössische Kunst. Kennengelernt haben sich Agnes und Karlheinz Essl zuvor in New York. Kunstaffin waren sie da schon beide, beziehungsweise, wie Essl es nennt: "vom Bazillus Kunst infiziert". Agnes Essl, geborene Schömer, arbeitete in der Zabriskie Gallery. Essl studierte ab 1968 Kunst und malte bis 1978 selbst - allerdings nur nebenbei, weil sein Hauptaugenmerk dem Aufbau von Baumax gegolten hat. In einem Interview hat er übrigens einmal gestanden, dass er als Sammler nicht angekauft hätte, was er damals so fabriziert hat.
Prominente und teure Namen
Heute ist die Kunstsammlung der Essls eine der größten Privatsammlungen zeitgenössischer Kunst in Europa. Sie umfasst an die 7000 Werke von 100 Künstlern und bietet einen Überblick über die österreichische Kunst nach 1945. Praktisch alle Kunstströmungen Österreichs sind mit Schlüsselarbeiten vertreten. Den Beginn machten Werke von Friedensreich Hundertwasser und Kurt Moldovan. In den 80er Jahren schließlich wächst die Privatsammlung in ihrem Kern an: mit heute so prominenten - und kostspieligen - Namen wie Maria Lassnig, VALIE EXPORT, Arnulf Rainer, Max Weiler, Markus Prachensky und Künstlern des Wiener Aktionismus, wie Hermann Nitsch und Günter Brus. Auch das Potenzial von Künstlern der Gegenwart wie Elke Krystufek haben die Essls früh erkannt. Außerdem haben sie ein Gespür für internationale Trends entwickelt, wie den Boom der chinesischen und der indischen Kunst. In einem Interview zur 15-Jahrfeier des Museums heuer hat Essl schon die nächsten Trends ausgemacht: die indonesische und die afrikanische Gegenwartskunst. Ob das Sammlerehepaar da noch mitspielen kann, ist derzeit die Frage. Einen Ankaufstopp gab es schon länger. Karlheinz Essl hat die Sammlung vor zwei Jahren in eine gemeinnützige Stiftung eingebracht. Die Fünfjahresfrist ist aber noch nicht abgelaufen, daher würden die Werte im Insolvenzfall der Masse zufallen. Deswegen hat er nun der Republik seine Sammlung zum Kauf angeboten.
Wie sehr die Sammlung der Essls einen Überblick über die österreichische Nachkriegskunst abbildet, kann man derzeit in der Jubiläumsausstellung "Made in Austria" sehen. Und in deren Pendant "Die andere Sicht" wird ein anderer Faktor beleuchtet: dass nämlich Agnes Essl schon früh ihren Sammlerblick auf Künstlerinnen gelenkt hat.
Es sind beachtliche Zahlen, wie etwa 200 Arbeiten von Arnulf Rainer aus allen Schaffensphasen oder 50 Werke von Georg Baselitz, die vielleicht übersehen lassen, dass die Sammlungstätigkeit der Essls eine fast anachronistisch familiäre Angelegenheit ist. Denn auf schicken Kunstsammlerpartys von einschlägigen Glamourmessen findet man sie nicht, nicht ein einziges Bild haben sich die beiden von Beratern einreden lassen. Alles haben sie selbst ausgewählt. Und zwar noch im Entstehungsprozess im Atelier und immer im engen Kontakt mit den Künstlern, denn für die Essls ist wichtig, welche Konzepte und Ideen dahinterstecken. Und einen einfachen Trick hat Essl auch - früh zugreifen: "Heute einen Daniel Richter zu kaufen, wäre Wahnsinn."
Noch im Jahr 2012 sagte Karlheinz Essl in einem Interview: "Wir haben noch nie ein Werk verkauft, noch nie Profit aus der Kunst geschlagen. Wenn wir etwas verkaufen würden, dann nicht, um Geld zu verdienen." Die Zeiten haben sich geändert.