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Landeshauptmann beurteilt die Arbeit der Bundesregierung durchaus positiv. | Sausgruber bleibt bei seinem Nein zur Steuerhoheit der Bundesländer.
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„Wiener Zeitung”: Sie feiern am Sonntag ihren 65. Geburtstag - damit könnten Sie in Pension gehen. Sind Sie schon amtsmüde? Herbert Sausgruber: Nein, amtsmüde kann man nicht sagen. Aber ich habe schon klargestellt, dass ich bei der nächsten Landtagswahl 2014 nicht mehr antreten werde.
Wann genau werden Sie sich zurückziehen?
Das werde ich sagen, wenn die Zeit dafür reif ist.
Sie sind seit 14 Jahren Landeshauptmann. Kritiker werfen Ihnen vor, mehr Verwalter als Gestalter zu sein. Wie haben Sie seit 1997 Vorarlberg gestaltet?
Neben einer guten wirtschaftlichen Entwicklung war es immer unser Ziel, dem Land ein menschliches Gesicht zu verleihen. Das heißt: Jeder, der Hilfe braucht, soll Hilfe bekommen; ein Gesundheitssystem, das ohne Rücksicht auf Vermögen und Einkommen eine hohe Qualität an Leistungen bietet; Bildungschancen für alle. Wichtig war auch immer die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse von Stadt und Land. Wir sind ein sehr gebirgiges Land und verwenden sehr viel Energie und Geld darauf, dass in den Talschaften die Menschen wirtschaftliche und strukturelle Lebensbedingungen vorfinden, damit sich die Absiedlung in Grenzen hält.
Vorarlberg steht, was etwa Wirtschaftswachstum oder Arbeitslosigkeit angeht, sehr gut da. Was wird hier besser gemacht als anderswo?
Das hat mehrere Ursachen. Eine kluge Unternehmensführung der überwiegend mittelständischen Betriebe und Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die sich mit dem Unternehmen in hohem Maße identifizieren. Das ist ein gewaltiger Vorteil in kritischen Situationen. Die regionale Politik kann etwas dazu beitragen, etwa durch ausgeglichene Finanzen, wodurch ein Spielraum gewonnen wird, den wir ganz konsequent in die Ausbildung und Forschung investieren. Auch der Ort, an dem wir leben, hat Vorteile. Im Osten waren die Grenzen bis vor zwanzig Jahren zu. Da war es schon ein Vorteil, dass wir an relativ offenen Grenzen lebten.
Sie gelten als Landeshauptmann, der sehr auf Länderrechte pocht. Trotzdem sind Sie kritisch, was Steuerhoheit für die Länder angeht. Aber würde das nicht die Position der Länder stärken?
Steuerhoheit der Länder macht nur Sinn, wenn es um Massensteuern geht. Randsteuern, wie die von Gabi Burgstaller genannte Flächenumwidmungssteuer, könnten die Länder ohnehin einführen. Bei Massensteuern ist der Vorteil, dass die Ausgaben- und Einnahmenverantwortung näher zusammengeführt werden. Der Nachteil ist, dass man massive Unterschiede zwischen den Regionen produziert und in Kauf nehmen muss. Die Schweiz tut das. In Österreich will man diese Unterschiede nicht. Man würde es nachträglich durch einen Ausgleich einebnen. Dann macht es aber keinen Sinn. Im europäischen Binnenmarkt gibt es außerdem zwischen Nachbarländern einen gewissen Druck zur Harmonisierung der Steuersätze. Man kann in Österreich bei der Mehrwertsteuer nicht deutlich von der deutschen abweichen - auch wenn man natürlich dürfte. Bei völlig offenen Grenzen hätte das aber Auswirkungen auf den Handel, die man sich gut überlegen muss. Wenn es schon zwischen den großen Einheiten den Druck zur Harmonisierung gibt, sehe ich keine Möglichkeit, auch noch zwischen den unteren Einheiten zu differenzieren. Außerdem glaube ich nicht, dass der Bund ernsthaft den Ländern Autonomie bei Massensteuern geben will.
Im Gegensatz zu einigen Ihrer Kollegen halten Sie sich in Bundesangelegenheiten sehr zurück. Ist das ein geringeres Interesse an den Vorgängen im fernen Wien?
Nein, ich melde mich dann zu Wort, wenn ich das Gefühl habe, es läuft etwas Wesentliches sehr gut oder schief. Kleinigkeiten zu kommentieren, halte ich nicht für nötig.
Die Hälfte der Österreicher benotet die Arbeit der Regierung mit „Nicht genügend”. Wie beurteilen Sie das?
Die Erwartungen an die Bundesregierung werden seit vielen Jahren zu hoch geschraubt. Manche Erwartungen sind unrealistisch, wenn man gerade erst eine Krise überstanden hat. Wenn die Einnahmen massiv eingebrochen sind, ist das Herstellen eines Gleichgewichts natürlich ein schmerzhafter Prozess. Das sollte man bei den Beurteilungen auch berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund beurteile ich die Arbeit der Regierung positiver. Allerdings agieren nicht alle Minister gleich gut. Positivbeispiele sind etwa die Infrastrukturministerin und der Landwirtschaftsminister.
Der neue ÖVP-Parteichef Michael Spindelegger tut sich erstaunlich schwer und ist mit Widerstand aus der Partei konfrontiert. War er die richtige Wahl im Hinblick auf die Nationalratswahl 2013?
Absolut. Er war die richtige Wahl. Die Chancen sind intakt. Man kann darüber streiten, ob es ein Vorteil ist, wenn Medien einen Spitzenmandatar schon zu Beginn hochjubeln. Es hat auch seinen Reiz, zunächst etwas bescheidener einzusteigen und sich dann kontinuierlich zu entwickeln. Die Chance der Volkspartei liegt darin, dass in der Mitte - wenn es gelingt, ein klares Profil zu halten beziehungsweise zu schärfen - ausreichend Platz ist, um bei der Frage nach Platz eins mitzumischen. Die Themen Leistung, Familie, Eigentum haben beachtliches Wählerpotenzial. Das muss man bearbeiten, dann ist alles offen.
Herbert Sausgruber, geboren am 24. Juli 1946, ist seit 1997 ÖVP-Landeshauptmann von Vorarlberg.