Viele hochqualifizierte Austro-Türken kehren in die Türkei zurück. | Gute Jobchancen in der Türkei und Rassismus hier sind der Auslöser.
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Wien/Istanbul. Als gut integriert gilt, wer perfekt die deutsche Sprache beherrscht, einen hohen Bildungsabschluss vorweist und hier Arbeit gefunden hat. Doch das ist nicht alles: Man muss sich in einem Land auch wohl fühlen. Ansonsten suchen gerade hochqualifizierte Menschen das Weite.
Das trifft laut einem Bericht des Österreichischen Integrationsfonds auf türkeistämmige Menschen zu. Es ist davon auszugehen, dass in den kommenden Jahren gerade bei einigen „hochqualifizierten türkischen Migranten der Wunsch nach Abwanderung in die Türkei bestehen wird, während die wenig qualifizierten eher dazu tendieren werden, in Österreich zu bleiben”, heißt es dort.
Der Integrationsfonds verweist auf eine Studie mit überraschenden Ergebnissen aus Deutschland aus dem Jahr 2009. 42,5 Prozent der türkeistämmigen Akademiker möchte innerhalb der nächsten fünf Jahre in die Türkei ziehen, und auch die türkischen Studenten wollen diesen Schritt nach ihrem Uni-Abschluss setzen (46,2 Prozent). Als Gründe nennen sie fehlende Heimatgefühle in Deutschland (41,3 Prozent), berufliche (25 Prozent) und wirtschaftliche Gründe (8,7 Prozent).
„Die Ergebnisse lassen sich auch auf Österreich übertragen”, meint Monika Potkanski, die den Bericht verfasst hat. Sie selber und ihr Bekanntenkreis wissen von etlichen türkeistämmigen Freunden, die darüber klagen, bei gleicher Qualifikation wegen ihres türkischen Namens nicht einmal zum Vorstellungsgespräch geladen zu werden.
Menschen mit hohem Kapital
„Studien belegen, dass Bewerbungen mit türkischen Namen eine deutlich geringere Rücklaufquote haben”, erzählt auch der deutsch-türkische Soziologe Yasar Aydin. Laut einer OECD-Studie ist die Arbeitslosenquote in Deutschland bei türkeistämmigen Akademikern drei Mal so hoch wie bei Hochqualifizierten ohne Migrationshintergrund. Aus Österreich sind im vergangenen Jahrzehnt 3200 Personen, die in der Türkei geboren wurden, jährlich aus Österreich zurückgekehrt. Aydin und andere Experten glauben, dass zehn Prozent der Auswanderer Akademiker und ein Großteil davon Fachkräfte sind. „Die meisten Abgewanderten, sieht man von Pensioniertenmigration ab, sind Menschen mit hohem sozialen, ökonomischen und symbolischen Kapital. Sie beherrschen meistens beide Sprachen, sind flexibel und risikofreudig”, betont Aydin, der seit 2009 als Gastwissenschaftler im Weltwirtschaftsinstitut Hamburg zum Thema „Abwanderung hochqualifizierter türkischer Herkunft aus Deutschland in die Türkei” forscht.
„Die Abwanderung von türkeistämmigen Hochqualifizierten lässt sich nicht auf eine einzige Ursache zurückführen”, meint Aydin. Karrieremöglichkeiten seien ein entscheidender Faktor, ebenso „der Wunsch, Neues zu erleben, also Freizeitmöglichkeiten und kulturelle Angebote.” Die wirtschaftliche Dynamik der Türkei und die Anziehungskraft türkischer Städte - etwa Istanbuls Image als Kulturstadt - spielten da eine Rolle.
Dass es Deutschland und Österreich nicht gelinge, diese Menschen zu halten liege an den „vielen Barrieren auf dem Arbeitsmarkt, die nicht selten den beruflichen Aufstieg aufhalten, berichtet der Soziologe. Freilich seien die Abgewanderten nicht unbedingt am häufigsten von Diskriminierungen betroffen gewesen, hält Yasar Aydin fest. Diskriminierungen gehörten vielmehr zum Alltag aller Migranten. Es seien gerade jene, die sich erfolgreich integriert haben, die abwandern: „Denn sie sind auch mobiler.”
Andere Faktoren für die Abwanderung führt die Wirtschaftsforscherin der Uni Krems, Gudrun Biffl, an: Die Türkei habe ein gutes Wirtschaftspotenzial, gepaart mit zu niedrigem Bildungspotenzial. Für gute, qualifizierte Facharbeiter, die es in Österreich vielschwerer hätten, einen Job zu finden, sei deshalb die Türkei zurzeit sehr attraktiv. Anders sehe es hingegen für Wissenschaftler aus: In der Türkei sei das Klima im Vergleich zu Europa vergleichsweise „forschungsfeindlich”. Biffl bestreitet auch, dass viele Angehörige der zweiten Generation in der Türkei heimisch werden. „Sie werden oft wegen ihres Akzents erkannt und gelten deshalb auch dort als Ausländer.”
Türkei sucht Akademiker
Einig sind sich Biffl und Yasar Aydin in einem Punkt: Akademiker, die Deutsch und Türkisch perfekt beherrschen, haben im wirtschaftlichen Bereich tolle Aufstiegschancen in der Türkei. Genau solche Personen werden in der Türkei vermehrt gesucht. Das Wirtschaftswachstum in der Türkei führe zur Integration in die Globalisierungsprozesse, was zu einer Zunahme ausländischer Direktinvestitionen führt, meint Aydin: „Die Zahl deutscher und österreichischer Firmen steigt. Das bietet bikulturellen und bilingualen Menschen Beschäftigungsmöglichkeiten in diesen transnationalen Firmen.” Diversität, Bilingualität und Bikulturalität sind freilich auch in Europa immer wichtiger. Insofern sei die Abwanderung - so betont der Soziologe „ein echter Verlust”.