Zum Hauptinhalt springen

Beamte und die Politik

Von Gerhard Steger

Wirtschaft

Beamte keine positionslose Knetmasse. | Auch unbeliebt machen gehört dazu. | Wien. Um eines gleich vorweg zu sagen: Versteht man unter Politik nicht nur Parteipolitik, sondern auch das Gestalten in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft, so gibt es keine unpolitische Verwaltung.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 18 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wer in der Verwaltung, insbesondere in Leitungsfunktionen tätig ist, kann der so verstandenen Politik nicht entkommen. Sich dessen bewusst zu sein, ist der erste Schritt, um mit Politik vernünftig umzugehen. In der Folge sollen einige Beispiele dafür dargelegt werden, was das für Repräsentanten der Verwaltung konkret bedeuten kann.

Ein typisches Anwendungsgebiet ist die Beratung von Politikern. Das gehört für Spitzenbeamte zum täglichen Brot. Es werden Vorschläge für die Lösung anstehender Fragen entwickelt, entsprechende Optionen ausgearbeitet und bewertet sowie Anregungen für sachpolitische Initiativen gemacht. Dabei sollte die Verwaltung jedenfalls zwei Dinge im Auge haben: Die eigenen Vorschläge müssen erstens fachlich vertretbar sein und zweitens nach Möglichkeit zum politischen Hintergrund der beratenen Person passen. Bei einem Widerspruch wäre der sachlichen der Vorrang einzuräumen, schließlich dürfen Politiker ebenso wie andere Menschen über Nacht klüger werden.

Diese Abwägung setzt in der Verwaltung nicht nur fachliche Qualifikation voraus, sondern auch eine gehörige Portion politisches Einfühlungsvermögen. Dieses schließt die Fähigkeit ein, von der eigenen politischen Präferenz zu abstrahieren und sich sozusagen in den Kopf des Beratenen zu versetzen.

Nach dem Mund reden

Es ist nicht Aufgabe der Verwaltung, Politikern nach dem Mund zu reden. Darunter verstehe ich vorauseilenden Gehorsam ohne Rücksicht auf sachliche und fachliche Angemessenheit. Mit einer solchen Haltung schadet man der Verwaltung und sich selbst. Die Administration würde - übrigens zu Recht - von der Politik nicht ernst genommen, wenn sie sich als positions- und damit substanzlose Knetmasse politischer Opportunität verhielte. Mehr noch: Geht ein politisches Anliegen schief, kann leicht der Vorwurf an die Verwaltung kommen, es sei nicht rechtzeitig vor den absehbar negativen Folgen gewarnt worden. Repräsentanten der Verwaltung müssen somit eine fachlich gut fundierte Position haben. Nur dann können sie der Politik erfolgreich dienen. Das wird in bestimmten Situationen auch klaren Widerspruch erfordern: Wenn die Gefahr besteht, dass eine politische Entscheidung erheblichen Schaden für die Sache zur Folge hätte, muss die jeweilige Führungskraft mit allem Nachdruck davor warnen und gangbare Alternativen aufzeigen. Das mag nicht in allen Fällen wirken, aber es gehört meines Erachtens zum Anforderungsprofil von Führungskräften, sich erforderlichenfalls auch unbeliebt zu machen.

Politische Haltung

Wie steht es mit deklariert politischen Haltungen in der Verwaltung? Dies ist eine relevante Frage, haben doch viele Kollegen eine durchaus ausgeprägte auch parteipolitische Präferenz. Die bleibt natürlich nicht verborgen. Spannend sind vor allem jene Fälle, wo die Präferenzen zwischen Spitzenbeamten und politischer Leitung differieren. Meine Erfahrung ist: Auch damit kann rational umgegangen werden. Die Führungskraft muss deutlich machen, dass ihre andere politische Orientierung nichts an der bestmöglichen fachlichen Unterstützung für die Ressortleitung ändert. Die Ressortleitung wiederum ist gut beraten, die Präferenz der Führungskraft zu respektieren und nicht zu versuchen, sie entweder zu sanktionieren oder "umzudrehen". Beamte sollten stets Glaubwürdigkeit durch Berechenbarkeit signalisieren: Wer alle paar Jahre seine Fahne in einen anderen Wind hängt, wird auf Dauer verdienterweise Respekt einbüßen.

Gerhard Steger ist Fachbuchautor und Sektionschef im Finanzministerium.