Frauenberger über Diversität, Reformen im Rathaus und Prostitution.
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"Wiener Zeitung": Die Charta-Gespräche sind zu Ende und das Ergebnis soll Ende November präsentiert werden - sind Sie zufrieden mit dem bisherigen Verlauf?
Sandra Frauenberger: Wir hatten mehr als 650 Gruppen, das sind knapp 10.000 Menschen, die konstruktiv überlegt haben, was sie tun könnten, um das Zusammenleben in Wien zu erleichtern. Und das Face-to-Face. Ich finde, das ist etwas ganz Besonderes.
Sie versuchen, das Zusammenleben in der Stadt zu verbessern - im aktuellen Diversitätsmonitor wurden nun unterschiedliche Standards im Kundenkontakt bei der MA 35 kritisiert (Einwanderung, Staatsbürgerschaft, Standesamt) - was wollen sie dagegen tun?
Wir messen uns, um besser zu werden. Wir wollen mit dem Monitor die Realität der Stadt darlegen. Und die ist divers. Dass das gut ist, müssen wir aber noch viel besser rüberbringen. Und wir müssen uns klar machen, dass nicht die örtliche, sondern die soziale Herkunft der Menschen essenziell ist, um den sozialen Wandel in der Stadt zu gestalten.
Und was ist mit der MA 35?
Da haben wir zum Beispiel seit einem Jahr ein Projekt, wo wir das Warteraummanagement und den Umgang mit KundInnen auf komplett neue Beine stellen. Das kann der Monitor natürlich jetzt noch nicht messen, aber das Ziel ist es beim nächsten Monitor ein großes Stück weiter zu sein.
Betrifft das nur die MA 35?
Die Diversität der Stadt spiegelt sich noch nicht in der Personalstruktur wieder. Wir haben daher ein weiteres Projekt mit dem Titel "Diversität und Personalentwicklung" begonnen, das auf alle Abteilungen umgelegt wird.
Können Sie ein Beispiel für eine mögliche Maßnahme nennen?
Ja, da gibt es etwa die anonymisierte Bewerbung, ein Projekt, das Ministerin Heinisch-Hosek vorgestellt hat. Es läuft derzeit als Pilotprojekt, das ich gerne übernehmen würde, wenn es erfolgreich ist. Es geht hier darum, Diskriminierungsbedingungen bei Bewerbungen auszuschalten und ausschließlich die Qualifikation in den Vordergrund zu stellen.
Beim Einkommensbericht ist herausgekommen, dass in der Verwaltung Männer noch immer 10,4 Prozent mehr verdienen als Frauen - was tut man dagegen?
Wir haben vor einem Jahr ein neues Gleichbehandlungsgesetz beschlossen, das laufend angewendet wird. Die 10,4 Prozent werden wir aber nicht nur mit der Gleichbehandlung allein lösen können.
Sie meinen die Besoldungsreform?
Genau. Es wurde bereits eine Stärken-Schwächen-Analyse gemacht, und wir werden 2013 eine Gruppe installieren, die entsprechende Arbeitspakete formuliert. Eines der größten Pakete dafür ist die Arbeitsbewertung.
Wann tritt die Reform in Kraft?
Schrittweise. Wir werden politisch einen Korridor zwischen Besoldung alt und neu beschreiben. Das ist effizienter, geht schneller und ermöglicht Nachjustierungen. Zu sagen: Ab morgen verdient diese Stadt anders, geht nicht bei 75.000 Beschäftigten.
Wo herrscht am meisten Handlungsbedarf?
Im Zusammenhang mit der Spitalsreform wird sich ganz sicher im Gesundheits- und Pflegebereich sowie bei den ÄrztInnen die Besoldungsfrage stellen. Und bei den KindergärntnerInnen.
Wie viel kann man einsparen?
Meine Generation an PolitikerInnen wird Einsparungen in der Besoldung nicht mehr erleben. Es wird im Gegenteil am Anfang viel Geld kosten.
Wird das Auswirkungen auf die vielen Frühpensionen haben?
Natürlich müssen wir auch über das Dienstrecht sprechen, keine Frage. Man muss aber auch sehen, dass es in der Privatwirtschaft Frühpensionen aufgrund langer Erkrankungen de facto nicht gibt - zu diesem Zeitpunkt sind Menschen dort schon lange nicht mehr beschäftigt. Was die einzelnen Krankenstandstage betrifft, sind wir genau so unterwegs wie die Privatwirtschaft. Auf alle Fälle müssen wir aber auf Prävention setzen.
Wie soll die aussehen?
Wir haben ein betriebliches Eingliederungsmanagement eingeführt, das den internen Arbeitsmarkt organisiert. Weiters wollen wir nach dem Modell von Sozialminister Hundstorfer eine Phasenregelung umsetzen - wo man versucht, am Arbeitsmarkt besser zu verorten, nachzuschulen oder gesundheitlich zu begleiten. Aber mehr will ich noch nicht verraten.
Wann soll das präsentiert werden?
Auf alle Fälle noch heuer.
Warum erst jetzt?
Die MA 3 (Bedienstetenschutz und berufliche Gesundheitsförderung Anm.) wurde schon gegründet, bevor ich gekommen bin. Generell herrscht aber immer mehr Handlungsbedarf, weil wir mit gleichbleibendem Beschäftigtenstand immer mehr Aufgaben in der Stadt übernommen haben, und das erzeugt Druck. Ein gutes Beispiel dafür ist die MA 35, über die wir vorhin gesprochen haben. Wenn dort jemand unfreundlich behandelt wird, ist das nicht in Ordnung, aber man muss eben auch die andere Seite sehen.
Warum gehen in Wien mehr Beamte in Pension als im Bund?
Weil dort mehr Menschen in der Administration sitzen und nicht wie in Wien für die Daseinsvorsorge arbeiten, wie bei der Müllabfuhr und im Kanalbau.
Es hätte sich nichts verändert, wenn Wien die Pensionsreform des Bundes mitgetragen hätte?
Nein. Bei 72.000 Beschäftigen gibt es trotzdem Menschen, die krank werden. Unser Konzept ist sozial viel verträglicher.
Vor einem Jahr wurde das Prostitutionsgesetz beschlossen - und es gab eine rege Diskussion um die Erlaubniszonen. Wie lautet Ihre Bilanz nach einem Jahr?
Das Gesetz funktioniert. Was mich noch nicht ganz zufrieden macht, ist, dass wir keine Zonen haben, wo Frauen im geschützten Bereich sicher arbeiten können - außerhalb des Praters. Aber wir leben in einer Demokratie und die Bezirke sind einzubinden.
Was heißt das?
Wenn wir noch den einen oder anderen Platz zusätzlich finden würden, wäre das eine Entlastung. Aber der Markt reguliert sich. Wir wissen, dass sich jetzt viel nach innen verlagert hat. Und das ist gut so, weil es sicherer für die Frauen geworden ist.
Es gibt aber auch enorme Aufregung um Lokale, die jetzt schließen müssen.
Aufgrund des neuen Gesetzes laufen viele Genehmigungsverfahren. Es ist uns nämlich nicht nur darum gegangen, die Prostitution zu regeln, sondern wir wollten eben auch die Frauen schützen. Unter welchen hygienischen und baulichen Umständen die gearbeitet haben, kann man sich gar nicht vorstellen - und so etwas kann die Stadt nicht unterstützen; deswegen die Genehmigungsverfahren.