Keine Schäden am Atomkraftwerk Kosloduj laut Betreibern.
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Sofia. Es war kurz vor drei in der Früh, als ein dumpfer Paukenschlag die Bewohner der bulgarischen Hauptstadt Sofia aus dem Schlaf riss und in Angst und Schrecken versetzte; heftige Erdstöße ließen Zimmerwände tanzen und Gegenstände zu Boden stürzen. Das Erdbeben mit einer Stärke von 5,9 auf der Richterskala dauerte zehn Sekunden, vielen Sofiotern kam es wie eine Ewigkeit vor. Es war der wuchtige Auftakt zu einer ganzen Serie spürbarer Beben in den folgenden Stunden. Menschen rannten aus ihren Häusern ins Freie und verbrachten den Rest der Nacht im Regen. Das stärkste Nachbeben ereignete sich um halb fünf ereignete sich mit einer Magnitude von 4,4 nach Richter.
Angesichts der Mächtigkeit des Erdbebens, das in ganz Bulgarien und vielen Grenzregionen seiner Nachbarländer zu spüren war, fiel die Bilanz glimpflich aus. Todesopfer waren nicht zu beklagen und die Gebäudeschäden hielten sich in Grenzen. Von alten Gründerzeitbauten im Zentrum der Stadt waren allerdings Kamine gestürzt und in den Neubaubezirken Borowo und Nadescha mussten Wohnblocks vorläufig gesperrt werden. Die meisten der auf bulgarischem Territorium errichteten Gebäude seien so konstruiert, dass sie auch stärkeren Beben standhielten, versicherte ein Sprecher des Regionalministeriums. Experten des Seismologischen Instituts in Sofia erwarten auch für die nächsten Tage noch schwächere Nachbeben, die aber keine Schäden anrichten sollten.
Am meisten von dem Beben in Panik gestürzt wurden die Bewohner der rund zwanzig Kilometer von Sofia befindlichen Bergarbeiterstadt Pernik, wo in einer einer Tiefe von zehn Kilometern das Epizentrum des Bebens lag. Obwohl in Pernik die Wucht des Bebens unmittelbar zu spüren war, kamen auch hier die meisten Menschen mit dem Schrecken davon, die materiellen Schäden in der Stadt sind aber beträchtlich. Wegen eines umgestürzten Kamins musste das Heizkraftwerk Pernik seinen Betrieb einstellen und Perniks Glockenturm, ein Wahrzeichen der Stadt, hat sichtbaren Schäden davongetragen.
Stärkstes Beben seit 1917
Der eingerichtete Krisenstab rief für die Region Pernik den Notstand aus, Kinder bekamen schulfrei. Als Gerüchte von Rissen in der nahegelegenen Staumauer des Stausees Studena die Runde machten, verließen einige Perniker fluchtartig die Stadt, weil sie eine Überschwemmung fürchteten. Nach einer Überprüfung der Staumauer Perniks gab Bürgermeisterin Rossitza Janakieva Entwarnung.
"Wir haben keine Informationen, dass es in jüngster Vergangenheit ein so starkes Beben in der Umgebung von Sofia gegeben hat", erklärte Emil Botev vom Sofioter Seismologischen Institut. Zuletzt sei Sofia 1917 von einem ähnlich starken Beben erschüttert worden. Bei vielen Bulgaren weckte das Beben Erinnerungen an den 4. März 1977, als die Erde im rumänischen Vrantschea mit einer Magnitude von 7,7 nach Richter bebte. Damals stürzten in der bulgarischen Donaustadt Svischtov drei Wohnblöcke ein, über hundert Menschen starben.
Kritiker des geplanten Atomkraftwerks im nahegelegenen Belene hatten unter Hinweis auf die Toten von Svischtov immer vor dessen Errichtung gewarnt. Vor einigen Wochen hat die Regierung das AKW-Projekt nun gestoppt, allerdings nicht aus Sicherheitsbedenken, sondern aus wirtschaftlichen Gründen. Ein Sprecher des AKW Kosloduj, 200 Kilometer nördlich von Sofia, teilte mit, das Erdbeben habe keine Schäden am Kraftwerk verursacht.