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Beck auf verlorenem Posten: Wer wird Erbe?

Von Michael Schmölzer

Europaarchiv

Öffnung nach Links lässt Beck in Umfragen abstürzen. | Steinmeier und Steinbrück als Nachfolger im Gespräch. | SPD-Chef demonstriert Gelassenheit. | Berlin/Wien. Die schlechtesten Umfragewerte seit langem und eine zerstrittene Partei, die jetzt auch noch eine Kanzlerkandidaten-Debatte lostritt. SPD-Chef Kurt Beck, eben von einer zweiwöchigen Krankheit genesen, ist derzeit in einer Lage, um die ihn kein Spitzenpolitiker beneidet. Nur noch zwölf Prozent der Bundesbürger würden Beck direkt zum Kanzler wählen, stolze zwei Drittel der SPD-Funktionäre glauben nicht, dass der Mann mit dem angegrauten Stoppelbart Angela Merkel an der Spitze der Bundesregierung ablösen wird.


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Ob die Charmeoffensive, die Beck Anfang dieser Woche gestartet hat und die die SPD-Führung, Journalisten, vor allem aber die Parteibasis von seiner Person überzeugen soll, fruchten wird, ist ungewiss. Zuletzt war der Sohn eines Maurers in Sachen Eigen-PR in Schleswig-Holstein unterwegs. Dort werden am 25. Mai Kommunalwahlen geschlagen, die 300 Menschen, die in das Kulturzentrum der kleinen Gemeinde Rendsburg gekommen sind, lauschen mit einiger Skepsis, was Beck ihnen zu sagen hat. Der redet über das Ehrenamt an sich und sehr allgemein über die politischen Projekte der SPD für den Bundestagswahlkampf, doch das interessiert die Zuhörer wenig: Sie wollen lieber wissen, was an der Parteispitze los ist und welche Haltung die SPD gegenüber der Linken künftig einnehmen wird.

Denn seitdem Beck prinzipiell den Weg für eine Zusammenarbeit der hessischen SPD mit der Linken freigemacht hat, kommt die deutsche Sozialdemokratie nicht mehr zur Ruhe. Zwar segnete der Parteivorstand Becks Linie ab, doch kaum beschlossen, äußerten hochrangige SPD-Politiker Zweifel an dem Schritt. Aus Becks Sicht ist eine Öffnung gegenüber der PDS-Nachfolgepartei notwendig, um das politische Patt in Hessen zu beenden und eine Ablöse des dortigen CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch, der bei den letzten Wahlen massiv an Stimmen verloren hat, zu erreichen.

Die Linke, die am 16. Juni 2007 durch eine Parteienfusion entstanden ist, wird von den übrigen deutschen Parteien für gewöhnlich nur mit spitzen Fingern angefasst. Immerhin sind hier teilweise Traditionen am Leben, die aus Zeiten der ehemaligen DDR-Einheitspartei SED stammen. Eine klare Abgrenzung zum Kommunismus hat noch nicht stattgefunden. So bekennt sich die Partei zum Demokratischen Sozialismus und stellt sogar die den Kapitalismus ablehnende "Systemfrage". Mit einer politischen Haltung, die die Verantwortung des Staates für das Allgemeinwohl stark betont, mit Forderungen nach Mindestlohn und nach Beschränkung der Macht der Großbetriebe hat sich die Linke zuletzt auch in den westlichen Bundesländern bei Wahlen politisch etablieren können. Allerdings galt sie - bis zu dem Zeitpunkt, als Beck eine Neuorientierung durchsetzen wollte - als generell nicht paktfähig.

Der Schwenk nach Links brachte Beck kein Glück: So wurde ihm vorgeworfen, dass das schlechte Abschneiden der SPD bei den Landtagswahlen in Hamburg auf die umstrittene Neuorientierung zurückzuführen sei. Der frühere SPD-Vorsitzende Franz Müntefering nannte den Schwenk Becks einen "schweren Fehler" und empfahl indirekt eine Ablöse des SPD-Chefs.

Suche nach Alternative

Angesichts der misslichen Lage, in der sich Partei und Parteichef befinden, und vor dem Hintergrund der Wahlen 2009 hat Fraktionschef Peter Struck als erster im Amt befindliche SPD-Promi öffentlich eine Debatte losgetreten, die hinter den Kulissen längst geführt wird: In einem Zeitungsinterview nannte er Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Finanzminister Peer Steinbrück als Alternativen zu einem Kanzlerkandidaten namens Beck. "Ich halte Frank-Walter Steinmeier für geeignet, Kanzlerkandidat zu sein", so Struck, und auch "Steinbrück wäre ein möglicher Kanzlerkandidat". Der angeschlagene SPD-Chef Beck demonstriert unterdessen Gelassenheit. Er bestätigte zuletzt, dass beide Politiker als seine Stellvertreter selbstverständlich zu dem Kreis der möglichen Kanzlerkandidaten gehörten.