Die Abgeordnete der Grünen ist neu im Parlament. Was die bisherige Kommunalpolitikerin für die Bundesebene mitbringt und was sie bewirken möchte.
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Unter den 26 Abgeordneten der Grünen sind mehr als die Hälfte, konkret 58 Prozent, weiblich. Mehr als ein Viertel hat Migrationshintergrund, 23 sind zum ersten Mal im Nationalrat. So gesehen ist Bedrana Ribo eine typische Grüne. Und doch gelten Expertise in Betriebswirtschaft und in Finanzsachen genauso wenig als typisch grüne Eigenschaften wie Bodenständigkeit. Und welche Grüne sagt schon: "Das Prägendste ist, Mutter zu sein"? Das sagt Ribo im Interview mit der "Wiener Zeitung".
"Wiener Zeitung": Sie waren zuletzt Gemeinderätin in Graz. Was war Ihr größter Erfolg?
Bedrana Ribo: Ich bin für die großen Themen Soziales, Finanzen und Kontrolle zuständig gewesen. Meine größten Erfolge sind in der Kontrolle der schwarz-blauen Stadtregierung zu finden: Da gibt es in Sachen Transparenz Aufholbedarf. Es gab zum Beispiel den E-Mobility-Skandal. Die E-Mobility GmbH hat, obwohl eine Tochterfirma der Holding Graz, Werbeverträge mit einem Unternehmen abgeschlossen, das unserem Bürgermeister sehr nahestand. Uns sind Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe aufgefallen, wir haben einen Prüfantrag an den Stadtrechnungshof gestellt und der hat die Causa überprüft.
Mit welcher Konsequenz?
Der Erfolg war, dass wir das aufgedeckt haben, Konsequenzen gab es aber keine. Die Geschäftsführer blieben. Früher war die FPÖ in Graz in einigen dieser Fälle unser Partner, seit sie mit der ÖVP in der Regierung ist, hat sich diese sehr weit weg vom Thema Transparenz entwickelt. In einer Stadt, in der es seit 17 Jahren denselben Bürgermeister gibt, ist das Interesse an Transparenz nicht so groß.
Ist das nicht eigentlich ein Misserfolg?
Es ist schon ein Misserfolg, wenn ein parteiunabhängiges Stadtrechnungshofteam in der Stadt Graz immer wieder Geschichten ans Tageslicht bringt, die so eindeutig sind, dass man denkt, da muss es doch Konsequenzen geben. Wenn es dann keine gibt, ist das schon ernüchternd.
Was lernen Sie daraus?
Dass es trotzdem wichtig ist, da dran zu bleiben, damit solche Dinge an die Öffentlichkeit kommen. Das interessiert die Menschen, es geht schließlich um unser Steuergeld, das dann an anderer Stelle fehlt. Denn es wird nicht beim Murkraftwerk, wo Millionen ausgegeben werden, eingespart, sondern bei Menschen, die jeden Euro weniger spüren, sei es bei der Weihnachtsbeihilfe oder der Mindestsicherung. Auch ich komme aus einer Familie aus ärmeren Verhältnissen, deshalb ist es hart, das mit anzusehen. Die Hoffnung aber, dass man was verändern kann, bleibt.
Sie sind nun frischgebackene Nationalratsabgeordnete: Wie war die Angelobung?
Es ist schon sehr beeindruckend, wenn man da vor dem riesigen Bundesadler im Hohen Haus steht und "Ich gelobe" sagt. Die Grünen haben ja Kräuterstöckerl mitgebracht, damit es auch sichtbar mehr grün ist. Und wir hatten eine Chili dabei, um mehr Schärfe in den Nationalrat zu bringen.
Was wollen Sie persönlich im Parlament bewegen?
Ich möchte als Delegierte aus der Steiermark weiterhin für die Menschen aus Graz und Umgebung Ansprechpartnerin bleiben. Wenn eine Politikerin nach Wien geht, haben viele das Gefühl, dass die Fäden zur Basis, zu den Menschen, die uns gewählt haben, reißen. Ich aber möchte ihre Wünsche und Sorgen mitnehmen und mich im Sozialausschuss für soziale Gerechtigkeit einsetzen und im Rechnungshofausschuss auf Missstände aufmerksam machen.
Die Grünen wurden vor allem wegen des Klimaschutzes gewählt. Bleiben soziale Anliegen doch nur grüne Nebenbaustelle?
Jein - seit ich bei den Grünen bin, setze ich mich dafür ein, dass wir uns mehr im sozialen Bereich trauen. Es gibt natürlich den Klimaschutz als Aufhänger der Grünen, aber es gibt darüber hinaus so viele Themen. Ich habe auch selbst zehn Jahre lang im Gemeindebau gewohnt, weiß wie es ist, wenn man am Monatsende darauf achten muss, dass das Geld für die nächste Miete reicht, oder wie das ist, neben dem Studium am Abend putzen zu gehen. Ich war ein Kind von Eltern, die sich vor allem um ihre Arbeit kümmern mussten, um genug Geld zu verdienen. So ein Kind muss sich doppelt und dreifach anstrengen, um trotzdem etwas zu schaffen. Deshalb werde ich mich inhaltlich voll reinhauen, weil das meine Herzensthemen sind.
Wo sehen Sie die Grünen: in der Opposition oder in einer Regierung?
Das ist eine schwierige Frage, da lastet noch großer Druck auf den Grünen. Es sind zwei Parteien mit sehr unterschiedlichen Ansichten. Trotzdem wünschen sich viele die Grünen in der Regierung, ob aus Angst vor Schwarz-Blau oder weil sie sich wirklich einen anderen Weg für Österreich wünschen, einen anderen Stil, einen anderen Umgang mit Menschen. Da sehen wir ernsthaft eine Verantwortung, deshalb nehmen wir die Sondierungsgespräche sehr ernst.
Könnten die Grünen in einer Regierung nicht mehr verändern?
Uns als Grünen geht es nicht nur darum, in einer Regierung zu sein und zwei Dinge zu verbessern, aber zugleich zehn zu verschlechtern. Es ist schon klar, dass Kompromisse gemacht werden müssen. Aber gerade als Migrantin fällt es mir schwer, die bisherige ÖVP-Migrationspolitik fortzusetzen. Wenn es diese Politik schon 1992 gegeben hätte, würde ich heute nicht mit Ihnen reden, würde es einen Teil des grünen Klubs nicht geben.
Mal angenommen, es gibt diesen Kompromiss, wären Sie bereit, die türkis-blaue Sozialhilfe so stehen zu lassen?
Man muss nicht unbedingt Gesetze zurücknehmen, man kann auch zusätzliche verabschieden. Unser Thema ist zum Beispiel Kinderarmut, ein Teil des Gesetzes benachteiligt Kinder, also kann man genau diesen mit einem neuen Gesetz verbessern.
Wobei das schon sehr nach Aufschnüren klingt . . .
Nein, sondern nach zusätzlichen Maßnahmen. Was mich persönlich stört, ist, dass Menschen, die nicht gut genug Deutsch sprechen, 300 Euro abgezogen werden. Ich habe nichts dagegen, dass sie Deutschkurse machen, aber Menschen, die weniger Deutsch sprechen, haben deshalb nicht weniger Hunger.
In einem Koalitionspakt kann auch schwer Verdauliches für Grüne dabei sein. Wird es einen Klubzwang im Parlament geben?
Klubzwang wird es bei uns nie geben. Die Grünen sind im Moment aber ein sehr eingeschworenes Team, trotz aller Unterschiedlichkeit. Wir sind uns in so vielen Dingen einig, da ist diese positive Energie, die zusammenschweißt, der Werner (Kogler, Anm.) hat sehr viel Vertrauen in uns - und wir auch in ihn.
Sie selbst spiegeln diese Unterschiedlichkeit als Person wider. Sie sind Grazerin, Frau, Mutter zweier Kinder, in Bosnien-Herzegovina geboren, vor dem Krieg geflüchtet, mittlerweile Österreicherin, Betriebswirtin, aber auch Sozialpolitikerin. Was davon prägt sie als Politikerin am meisten?
Das Prägendste ist, Mutter zu sein. Ein Grund, in die Politik zu gehen, war es, Vorbild zu sein. Ich messe Erfolg aber nicht an Ämtern, für mich ist Erfolg Glück. Wenn mein Mann, meine Kinder und ich glücklich sind, dann ist das für mich ein Erfolg. Auch wenn das manche Grüne nicht so gerne hören, für mich steht die Familie an erster Stelle. Meine Erfahrungen haben mir auch Bodenständigkeit gebracht, einen guten Draht und wenig Berührungsängste zu Leuten. Es hilft, als Politikerin nicht in einer eigenen Welt zu leben. Wenn mich mein Kind in der Früh anpinkelt, dann muss ich mich darum kümmern. Wenn ich mit einer Nachbarin spreche, die eine Heimhilfe braucht, ist das Thema Pflege viel realer. Diesen Blick möchte ich behalten. Das kann man nur, wenn die Familie da ist.
Überraschend, ich dachte, dass die Flucht eine größere Rolle spielt?
Natürlich ist das eine prägende Erfahrung, wenn auch eine weniger positive. Wenn man als Familie mit nur einem Koffer nach Österreich kommt, kein Wort versteht und am Anfang laufend von einem Ort an den anderen versetzt, lernt man sich als Flüchtlingskind sehr rasch zurechtzufinden. Ich wurde da schon meiner Jugend beraubt, musste sehr früh Verantwortung tragen. Und wenn du als Migrantin nicht als Putzfrau arbeiten willst, musst du eine gute Ausbildung machen. Deshalb habe ich vermutlich Betriebswirtschaft studiert - und nicht Geschichte (lacht), weil es auch um die Frage ging, wie überlebt man am besten. Ich bin übrigens auch eine Muslima, wenn auch eine sehr europäische, der man es nicht ansieht (lacht).
Lässt sich der grüne Erfolg in der Steiermark auch am Land wiederholen?
Die Grünen sind in den Städten besser verankert, die ÖVP hat in den ländlichen Regionen mehr Tradition. Ich glaube zwar, dass es ein bisschen mehr Zeit braucht, bis sich das in unsere Richtung dreht. Aber da tut sich auch etwas. Und die Sandra Krautwaschl ist eine sehr Bodenständige mit drei Kindern, die im ländlichen Bereich sehr gut ankommt.
Bedrana Ribo (37) ist Betriebswirtin, seit 2012 bei den Grünen, war erst Bezirksrätin im Graz, dann im Vorstand und Finanzreferentin, seit April 2015 Grazer Gemeinderätin. Ribo flüchtete 1992 aus Bosnien-Herzegovina nach Österreich, ist außerdem Muslima und Mutter zweier Kinder.