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Bedroht die Ökonomisierung unser Bildung ssystem?

Von Martin Sattler

Politik

Experten sehen Bildung im Umbruch. | Wien. Darf man Alessandro Pelizzari von der Universität Freiburg glauben, stehen dem heimischen Bildungssystem große Änderungen bevor. Einerseits stagnieren die öffentlichen Ausgaben im Bildungsbereich, andererseits suchen private Kapitalgeber nach neuen, lohnenden Investitionsbereichen, wie etwa Bildung. Auf dem Alfred-Dallinger-Symposium diskutieren deshalb diese Woche Experten über "Bildung zwischen Staat und Markt".


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Vor allem durch den Sparzwang der Staaten und die Öffnung der Märkte im Zuge des vieldiskutierten GATS-Abkommens werden private Anbieter den Bildungssektor stürmen. Schon heute belegt der Umsatz beim Bildungsexport den fünften Platz in der US-Handelsbilanz. Wird die Dienstleistung Bildung einmal in das GATS-Regime eingeschrieben, müssen Länder nationale und internationale Anbieter gleich behandeln. Dies würde ein Ende öffentlicher Subventionen bedeuten, was den Druck zu alternativer Finanzierung, etwa Sponsoring, nur noch mehr erhöhe, so Pelizzari. Durch die Auslagerung von Staatsaufgaben entsteht ein neues Staatsmodell, das grundsätzlich auf der Wegnahme öffentlicher und parlamentarischer Kontrolle beruht und zu Konzentration von Macht und Ressourcen in den Händen transnationaler Unternehmen führt.

"Bildungspolitik auf einem Bierdeckel"

So wird zum Beispiel in der Schweiz der Hochschulrat nicht mehr von Professoren, sondern von Finanzfachleuten besetzt. Dadurch wandelt sich die bildungspolitische Debatte zu einer betriebswirtschaftlich-technokratischen zu Lasten kleinerer Studien, die keinen messbaren Wert aufweisen.

Zum Vergleich skizziert der ehemalige schwedische Bildungsminister Carl Tham das oft zitierte schwedische Erfolgsmodell. Ziel des Staates sei eine demokratische Schule, die für alle leistbar sei und schon die Vorschulkinder erfasse. Aufgrund der immer schwierigeren Situation auf dem Arbeitsmarkt legt Schweden besonderen Wert auf die Fort- und Erwachsenenbildung. Trotz des hohen Niveaus der Schweden bedeuten Bildung und Forschung aber nicht automatisch eine Ankurbelung der Wirtschaft, wie Tham betont. Ein gutes Schul- und Universitätssystem müsse daher immer Hand in Hand mit Investitionen in die Infrastruktur und die Wirtschaft gehen.

Mit der heimischen Bildungspolitik hart ins Gericht geht Karl Heinz Gruber von der Universität Wien. Österreichs bildungspolitische Ziele hätten auf einem Bierdeckel Platz. "Bei uns gibt es viele Bildungssprecher, aber nur wenige Bildungsdenker", kritisiert er und fordert eine breite, öffentliche Debatte über die Ziele und Voraussetzungen heimischer Bildung.