Mit vielen Arten "würde ein Stück Entwicklungsgeschichte sterben".
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Konstanz/Wien. Die Welt ist voller bedrohter Tierarten. Welche - womöglich fatalen - Folgen deren Aussterben hätte, ist in vielen Fällen nur zu erahnen. Bei einigen Arten lässt sich aber zweifelsfrei sagen, dass "mit ihrem Aussterben auch ein Stück Entwicklungsgeschichte sterben würde", wie es der Konstanzer Wissenschafter Kamran Safi vom Max-Planck-Institute for Ornithology in Radolfzell am Bodensee formuliert. Gemeinsam mit britischen Kollegen hat er eine neue Weltkarte der seltenen und bedrohten Arten zusammengestellt.
"Unserer Karte liegt ein Index zugrunde, den wir eigens entwickelt haben", erklärt Safi im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Eingearbeitet wurde dabei nicht nur die Gefahr des Aussterbens bestimmter Tierarten, sondern auch ihre Einmaligkeit beziehungsweise ihre entwicklungsgeschichtliche Bedeutsamkeit. Ein Beispiel dafür ist der Schwarzweiße Vari, eine auf Madagaskar lebende Lemurenart. Sie stellen laut Safi "eine einmalige und sehr, sehr alte Säugetierlinie dar, die so nie wieder entstehen wird und deshalb unersetzbar ist".
Neue Weltkarte geht über bisherige weit hinaus
Nicht zuletzt deshalb ist Madagaskar auf der neuentwickelten Weltkarte tiefrot eingefärbt. Weitere Hotspots sind Südamerika und Südostasien, aus jeweils anderen Gründen, wie Safi erklärt: "Südamerika ist entwicklungsgeschichtlich ein sehr alter Kontinent, mit vielen Tierarten, die sich nur dort entwickelt haben, ähnlich wie in Australien und Neuseeland. Für Südostasien gilt das weniger, hier sind im Laufe der Entwicklung viele Tierarten - die ja ursprünglich in Afrika entstanden sind - eingewandert. Es gibt also in dieser Region weniger Einzigartigkeiten, dafür ist die Aussterbewahrscheinlichkeit bedeutender."
Durch diesen neuen Index geht die Karte auch über die Rote Liste gefährdeter Arten der Weltnaturschutzunion IUCN hinaus, da sie eben nicht allein auf der Zahl der bedrohten Arten basiert, sondern ganze Regionen in den Fokus rückt.
"Große Gebiete unterliegen keinem besonderen Schutz"
Den beteiligten Wissenschaftern ging es nämlich auch darum, zu prüfen, ob die betroffenen Regionen schon Schutzgebiete sind oder ob man sie noch stärker in den Fokus rücken müsste, erklärt Safi. "Wir fragen: Wo sind die gefährdeten Arten? Und unternehmen wir schon etwas zum Schutz ihres Lebensraums?" Das erschütternde Ergebnis der Recherche: "Erstaunlich große Gebiete unterliegen gemäß dem UN-geführten Inventar der Schutzgebiete keinem besonderen Schutz", sagt Safi. "Das ist ein Warnhinweis. Wenn wir diese Artengemeinschaften erhalten wollen, müssen wir eventuell auch an anderen Orten nachschauen." Dabei haben Safi und seine Kollegen in ihrer Weltkarte nur die weltweit allerwichtigsten Gebiete herausgehoben. "Regional oder national wichtige Gebiete würden jedoch einen wichtigen Beitrag in einem vielleicht in Zukunft entstehenden Netzwerk von solchen Schutzgebieten spielen", meint er.