Zum Hauptinhalt springen

Bedrohte Reiseziele

Von Eric Heymann

Gastkommentare

Wie wird sich die Corona-Krise auf die kommende Sommersaison auswirken?


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 4 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Durch die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden Reise- und Ausgangsbeschränkungen ist der Personenverkehr auf nationaler Ebene und grenzüberschreitend dramatisch eingebrochen; dies betrifft alle Verkehrsträger. Sollte dieser Zustand über die Sommermonate anhalten, drohen gerade den klassischen Tourismuszielen zum Beispiel in der Mittelmeerregion heftige wirtschaftliche Einbußen.

Die weitere Entwicklung der Corona-Pandemie ist unsicher. Damit ist auch ungewiss, wann und in welchem Maße die aktuell gültigen Reisebeschränkungen in der EU und darüber hinaus gelockert oder aufgehoben werden. Sicher ist jedoch, dass die touristische Hochsaison auf der Nordhalbkugel in etwa drei Monaten beginnt. Viele Länder in der Mittelmeerregion erwirtschaften einen nennenswerten Teil ihres BIP mit dem Reiseverkehr sowie dem Tourismus. In Italien waren es 2018 im Landesdurchschnitt gut 13 Prozent, Spanien kam auf 14,6 Prozent. In Griechenland entfielen sogar 20,6 Prozent auf den Tourismus. In einzelnen Regionen dieser Länder, den touristischen Hotspots, liegt der Anteil noch deutlich höher.

Unwiederbringliche Umsatzeinbußen

Die mit der Corona-Pandemie einhergehenden Reise- und Ausgangsbeschränkungen, Hotelschließungen und Absagen von Kulturveranstaltungen, Messen und Konferenzen führen in allen beteiligten Sektoren (Reiseveranstalter, Hotel- und Gastgewerbe, Messegesellschaften, Verkehrsunternehmen etc.) bereits jetzt zu unwiederbringlichen Umsatzeinbußen und gehen bei vielen Betrieben an die wirtschaftliche Substanz. Das Insolvenzrisiko steigt enorm. Ein großer Teil der Einnahmen im Tourismus wird jedoch erst in der Hochsaison erwirtschaftet. Dann liegen die Preise sowie die Kapazitätsauslastung der Betriebe deutlich über dem Jahresdurchschnitt.

Sollten die Reisebeschränkungen über die Sommermonate anhalten, wäre dies für die Betriebe vor Ort, die Angestellten im Tourismussektor und für die gesamten betroffenen Volkswirtschaften ein Fiasko. Auch in den Herkunftsländern (etwa Deutschland, Großbritannien, Niederlandeoder Skandinavien) würden anhaltende Reisebeschränkungen über den Sommer zu gesellschaftlichen Spannungen führen, zumal heuer bereits Ostern als klassische Reisezeit ausfällt und im Mai noch keine umfassende Rückkehr zur Normalität zu erwarten ist. Noch werden die Reisebeschränkungen von einer breiten Mehrheit in der Bevölkerung akzeptiert. Das dürfte sich aber im Laufe der Zeit ändern. Es ist daher wirtschaftlich und auch gesellschaftlich wichtig, die Corona-Pandemie in den kommenden Wochen so weit wie möglich einzudämmen.

Was Reiseunternehmen und Verwaltungen tun können

Sicher, es gibt derzeit Wichtigeres als Urlaubsreisen. Gleichwohl können die betroffenen Unternehmen aus der Tourismusbranche sowie die lokalen Verwaltungen in den Tourismusgebieten schon jetzt Vorkehrungen treffen, die dazu beitragen, dass Urlauber ihre Reisen auch in Zeiten von Corona (nach Abflachen der Kurve) mit einem vertretbaren Risiko antreten können. Dazu dürfte der Verzicht auf Massenveranstaltungen zählen. Das Konzert mit tausenden Besuchern birgt hinsichtlich einer Verbreitung des Coronavirus ein höheres Risiko als die Bergwanderung oder Fahrradtour mit der Familie. Ferner könnten touristische Einrichtungen mit Desinfektionsmitteln ausgestattet und räumlich so umgestaltet werden, dass Abstandsregeln eingehalten werden können. Eine quantitative Regulierung des Zugangs zu besonderen touristischen Attraktionen würde ebenfalls dazu beitragen, Menschenansammlungen zu vermindern. Kapazitätsbegrenzungen könnten also nötig sein.

Setzt man einen anhaltenden Rückgang der Fallzahlen an den Reisezielen voraus, dürften entsprechende Vorkehrungen die Bereitschaft der Urlauber erhöhen, in die aktuell besonders von Corona betroffenen Urlaubsgebiete zu reisen. Umgekehrt könnten die Urlauber über spezielle ärztliche Atteste oder Immunitätsbescheinigungen nachweisen, dass sie für die Tourismusziele keine Gefahr eines Wiederaufflammens der Epidemie darstellen; das setzt entsprechende Testkapazitäten voraus.

Der Urlaub ist für viele "die schönste Zeit des Jahres". Er ist aber auch ein immenser Wirtschaftsfaktor. Im Sommer 2020 dürfte es für den Staat als Regulierer, Tourismusbetriebe und die Reisewilligen immer noch zu einem Abwägen von gesundheitlichen Risiken auf der einen Seite sowie wirtschaftlichen Schäden beziehungsweise dem Wunsch nach Erholung auf der anderen Seite kommen.