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Beethovens Neunte im Steinbruch

Von Rainer Mayerhofer Wien

Politik

· Die Wiener Philharmoniker werden im Rahmen der Befreiungsfeier am 7. Mai 2000 im Steinbruch der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, wo tausende Opfer brutal ermordet wurden, Beethovens neunte | Symphonie aufführen. Der designierte Direktor der Berliner Philharmoniker, Sir Simon Rattle, wird dirigieren.


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Die Veranstaltung steht unter dem Motto "Wer keine Erinnerung hat, hat keine Zukunft" steht · ein Zitat des Auschwitz-Überlebenden Primo Levi.

Innenminister Karl Schlögl, in dessen Zuständigkeit die Erhaltung der KZ-Gedenkstätte fällt, betonte Montag bei der Vorstellung des Projekts, dass er es als Verpflichtung betrachte, stets die

Erinnerung n die Leiden der deportierten wachzuhalten, dass die Befreiungsfeier am Beginn des neuen Jahrtausends aber auch Gelegenheit bieten soll, den Blick in die Zukunft zu lenken.

Schlögl gab auch bekannt, dass Bundeskanzler Viktor Klima als internationale Festredner Elie Wiesel und den Präsidenten der Europäischen Kommission, Romano Prodi, geladen hat.

Der Leiter des Jewish Welcome Service Leon Zelman, selbst ein Überlebender von Auschwitz und Mauthausen-Ebensee, meinte, die Befreiungsfeier im Jahr 2000 solle zu einem europäischen wie

internationalen Ereignis werden. Daher setze die Republik Österreich zur Jahrtausendwende einen großen symbolischen Akt, indem es Abschied von einem Europa der Kriege, Grausamkeiten und Verbrechen

nehme. Zelman hob die europäische Symbolik dieses Konzentrationslagers hervor, in der Häftlinge und Kriegsgefangene aus fast allen europäischen Nationen gedemütigt, gequält und ermordet wurden, aus

politischen, rassischen und religiösen Gründen oder wegen ihrer sexuellen Neigungen. "Jeder Jude in Europa war Opfer, aber nicht alle Opfer waren Juden" meinte Zelman.

Oberrabbiner Chaim Eisenberg nannte es "richtig und schön" wenn diese Gedenkfeier nicht von jüdischer Seite ausgehe. Die Wiener Philharmoniker werden jedoch gemeinsam mit Oberkantor Shmuel

Barzilai einen jüdischen Teil dieser Feier gestalten und das Kaddisch-Gebet mit der Musik von Andre Hajdu, einem Überlebenden der Shoa, begleiten.

Für Hans Marsalek, Obmann der Österreichischen Lagergemeinschaft Mauthausen, ist diese Gedenkfeier Mauthausen, die letzte die von den nur noch wenigen Überlebenden der Lagergemeinschaft gestaltet

wird.

Als Nachfolgeorganisation wird der 1997 (durch Bischof Max Aichern und ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch) gegründete Verein Mauthausen Aktiv Österreich als Koordinationsstelle aller Aktivitäten und

Initiativen dienen, die Mauthausen im Bewußtsein der Menschen verankern sollen.

Am 5. Mai 1945 wurde das um den Steinbruch "Wiener Graben" errichtete Konzentrationslager Mauthausen (mit 49 Nebenlagern) befreit. Seit 1948 finden zum Jahrestag der Befreiung jährlich Kundgebungen

statt.

Marsalek zeigte sich glücklich darüber, daß der schon für das Jahr 1995 von Christian Limbeck-Lilienau vorgeschlagene Auftritt der Wiener Philharmoniker nun im kommenden Jahr stattfinden wird.

Die Wiener Philharmoniker haben gemeinsam mit dem Wiener Singverein mit dieser Initiative eine Idee aus dem Abonnentenkreis aufgegriffen, betonte Philharmoniker-Vorstand Clemens Hellsberg. Mit

Beethovens Neunter sollte ein Zeichen der Hoffnung und des Aufbruchs an einer Stätte der Unmenschlichkeit gesetzt werden. Als im Vorstand der Philharmoniker über das Projekt abgestimmt wurde, habe es

nur eine Gegenstimme gegeben, sagte Hellsberg und der Skeptiker habe gemeint, daß man an einem Ort wie Mauthausen überhaupt keine Musik machen sollte.