Jarolim versus FPÖ-nahen Richter Maurer im Fall David Irving. | Justiz sieht keinen Änderungsbedarf. | Verteidiger Schaller: Liste für "verbotsgesetzbefangene" Richter? | Wien. Wäre das Urteil für den Holocaust-Leugner David Irving schärfer ausgefallen, wenn der Berufungssenat des Oberlandesgerichts (OLG) Wien, der in zweiter Instanz eine mildere Strafe verhängte, anders besetzt gewesen wäre?
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SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim übt jedenfalls weiter heftige Kritik daran, dass Richter Ernest Maurer, der 2000 von der FPÖ in den ORF-Stiftungsrat entsandt worden war, den Vorsitz des Dreier-Senats innehatte. Maurer ist für Jarolim in diesem Fall kein objektiver Richter. "Es ist Aufgabe der Justiz zu überprüfen, ob die Objektivität eines Richters in einer Angelegenheit mit politischem Hintergrund bei Vorliegen gravierender Indizien außer Streit steht", forderte er am Dienstag in einem Gastkommentar für die "Wiener Zeitung". Er verweist darauf, dass Maurer aufgrund seiner FPÖ-Nähe umstritten sei und bereits vor Jahren aus dem Mediensenat, der etwa Klagen mit Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider behandelte, nicht ohne Grund "plötzlich ausschied".
Jarolim appelliert nun erneut an die Justiz, bei der Besetzung der Senate sensibler umzugehen - im Fall Maurer etwa über die Befangenheitsregelung in der Geschäftsordnung: "Hätte sich Maurer selbst für befangen erklärt, dann hätte der Personalsenat einen anderen Richter eingesetzt". Der SPÖ-Justizsprecher schlägt nun vor, der Justiz hier "mehr Rechte einzuräumen", etwa, dass auch der OLG-Präsident in Befangenheitsfragen den Personalsenat anrufen kann. Das könnte in weiterer Folge mit einer Änderung des Gerichtsorganisationsgesetzes verwirklicht werden.
Die Justiz sieht aber keinen Änderungsbedarf. "Die Unabhängigkeit der Rechtssprechung muss gewahrt bleiben", erklärt Wolfgang Pöschl, Vizepräsident des OLG Wien. Er möchte an der bestehenden Regelung festhalten, nach dem der gesetzliche Richter zu Beginn des Jahres festgelegt wird. Die Geschäfte würden somit im Vorhinein verteilt. Beim Obersten Gerichtshof werden laut Sprecher Kurt Kirchbacher die Richter nach einem Zahlenrad eingeteilt: "Man weiß nicht, wer welchen Akt bekommt." Auch Kirchbacher will am bestehenden System festhalten.
Politischer Einfluss "theoretisch" möglich
Zwei Möglichkeiten gibt es laut Pöschl dieses Zufallsprinzip zu unterbrechen: Der zuständige Richter kann selbst den Auftrag aufgrund von Befangenheit ablehnen. Oder, - und hier sieht Pöschl "rein theoretisch" die Möglichkeit einer politischen Einflussnahme -, der Oberstaatsanwalt, der dem Minister gegenüber weisungsgebunden ist, kann einen Ablehnungsantrag einbringen. Das Ministerium mache dies jedoch nicht, "um eben die Unabhängigkeit der Rechtssprechung zu wahren".
Kritik übte erneut Irving-Verteidiger Herbert Schaller an Jarolim: "Meint er, dass in der österreichischen Richterschaft schwarze Listen für verbotsgesetzbefangene Richter geführt werden sollen?"