Kurze Hosen und westliche Frisuren sind verboten. | Sittenwächter kontrollieren in Teheran rigoros. | Teheran/Wien. Es ist Samstagmittag. Arash, 25, und seine Familie haben das ganze Jahr auf diesen Augenblick gewartet. Am Flughafen Wien-Schwechat herrscht Hochbetrieb. In wenigen Minuten hebt eine Maschine der Iran Air in Richtung Teheran ab. Der lang ersehnte Sommerurlaub kann beginnen. In diesem Jahr gibt es einen selten da gewesen Ansturm der Auslandsperser auf ihre geliebte Heimat. Sämtliche Iran Air Flüge sind europaweit schon lange ausgebucht. Auch die AUA ist mit dem Irangeschäft zufrieden.
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Ein gravierender Unterschied zwischen den beiden Fluglinien ist aber der Umstand, dass an Bord der Iran Air bereits "Hejab"-Pflicht (das Einhalten der islamischen Kleidungsordnung, also das Tragen von Kopftüchern für Frauen) herrscht.
Viele Frauen, die gewohnt sind, einen Hauch von Schal als Kopftuch zu verwenden, müssen schon im Flugzeug feststellen, dass der Sommer 2007 anders werden wird. "Mit diesem Fetzen Stoff kommen Sie in Teheran nicht weit. Ich bringe Ihnen ein Kopftuch, da ersparen Sie sich eine Menge Ärger", flüstert eine Stewardess einer jungen Frau ins Ohr.
Am Teheraner Flughafen Mehrabad bietet sich ein Bild der Freude: Familien und Freunde erwarten ihre Angehörigen mit Blumen, Süßigkeiten und Geschenken. Mitten im Gedränge stehen aber auch Beamte der Sittenbehörde im Einsatz. Immer wieder ist ein Satz schon fast gebetsmühlenartig zu vernehmen: "Halten Sie sich an die Kleidungsvorschriften!"
Haftstrafen drohen
Seit neun Wochen geht die Polizei des Irans rigoros gegen "unsittlich" gekleidete Bürger vor - mit stiller Rückendeckung von Präsident Mahmoud Ahmadinejad. Neben adrett gekleideten jungen Frauen sind auch Männer betroffen. Kurze Hosen sind ebenso Tabu wie westliche Frisuren, enge T-Shirts und auffällige Halsketten. Die Sittenwächter haben viel zu tun. Denn allein in der 15-Millionen-Metropole Teheran sind 12,5 Millionen Menschen unter 25 Jahre alt.
Eine große schwarze Sonnenbrille und viel Make-up, ein kleines transparentes Kopftuch in fröhlicher Farbe, das kaum die Hälfte ihrer blond gefärbten Haare bedeckt, kurze Jeans und eng sitzender Kurzmantel, der kaum bis zur Hüfte reicht und die Wölbungen des Körpers besonders betont: So sehen Tausende Frauen in Teheran und anderen Großstädten aus.
Lange musste der als Hardliner bekannte Ahmadinejad dieses für ihn und seine Anhänger peinliche Stadtbild hinnehmen. Grund für die bisherige Tatenlosigkeit der Sittenwächter waren die ständigen Vorwürfe der Rivalen Ahmadinejads während der Präsidentschaftswahlen im Juni 2005: Der Präsident, so die Warnungen damals, werde eine rigide Kleiderordnung einführen. Die Beschuldigungen nötigten das Staatsoberhaupt sogar, im TV die "Freiheit der lieben Jugendlichen bei der Auswahl ihrer Kleidung und Frisur" zu beschwören. Das ist lange her. Zunehmend unter Druck geraten, beugt sich Ahmadinejad nun den Sittenvorstellungen des konservativen Klerus.
Im reichen Norden Teherans werden ausgelassene Partys gestürmt und Massenverhaftungen vorgenommen. "Förderung moralischer Sicherheit der Gesellschaft" nennt die iranische Polizei ihren Kampf gegen die "Unsittlichkeit". Hunderte Polizisten und Polizistinnen in Zusammenarbeit mit freiwilligen paramilitärischen Kräften, den Basij-Milizen, überwachen alle öffentlichen Plätze, um jeglichen Verstoß gegen die islamische Kleiderordnung zu vereiteln.
Ist eine "Korrektur" des Äußeren an Ort und Stelle möglich, geben sich die Sittenwächter damit zufrieden. Geht das nicht, wird die Person mit auf die Wache genommen. In solchen Fällen werden die Familienangehörigen der Betreffenden auf die Wache zitiert und müssen "ordentliche" Kleidung mitbringen; zudem müssen die Festgesetzten ein Bußgeld berappen. Wiederholungstäter müssen mit Peitschenhieben oder Haftstrafen rechnen.
Schweigsamer Präsident
Der Kampf gegen die "Unsittlichkeit" kann Ahmadinejad teuer zu stehen kommen: Der Populist ist sich bewusst, dass ein solches Vorgehen ihn binnen kürzester Zeit unpopulär macht. Daher hat er sich bisher öffentlich nicht zu der Aktion geäußert. Sein Sprecher versuchte sogar, die Justiz für das angelaufene Projekt verantwortlich zu machen.
Arash und seine Familie nehmen all dies gelassen zur Kenntnis und wollen sich die "schönsten Monate im Jahr" wegen härterer Kontrollen nicht verderben lassen. Seine verbotene Frisur, die an Fußball-Star David Beckham erinnert, will Arash trotzdem nicht ändern. "No risk, no fun", meint er schelmisch.