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Befreit das Land aus diesen Ketten

Von Matthias Strolz

Gastkommentare
Matthias Strolz ist Klubobmann der Neos.

Die strukturelle Verhärtung und die alteingefahrenen Kampfmuster der zwei Regierungsparteien sind scheinbar unüberwindbar. Auch Christian Kern droht daran zu scheitern.


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"Neuer Stil" und konstruktive Einbindung der Opposition - das waren zwei der Kern-Versprechen des neuen Kanzlers, der nun seit einem Monat im Amt ist. Der gefühlt zwanzigste Neustart der letzten sechs Jahre wurde von uns Neos zwar kritisch betrachtet, aber eine Chance verdient die Ansage jedenfalls. Deswegen haben wir auch gerne - so wie zu Beginn der letzten Woche im Unterrichtsausschuss - die ausgestreckte Hand erwidert. Seit Ende der letzten Woche ist jedoch klar: Die neuen Namen tragen alte Fesseln. Es sind nicht so sehr die Personen das Problem, es sind die strukturelle Verhärtung und die alteingefahrenen Kampfmuster der zwei Regierungsparteien, die scheinbar unüberwindbar sind. Auch Kanzler Christian Kern droht daran zu scheitern. Eine eindrucksvolle Demonstration dafür war die Wahl der Rechnungshofpräsidentin. Dabei hatte sich gerade beim Rechnungshof die Chance geboten, den Reformwillen mit einem neuen Verhältnis zur Opposition und einer Besetzung fernab von Parteipolitik unter Beweis zu stellen. Das wäre wirklich neuer Stil gewesen. Auf Druck von Neos und Grünen wurde das Hearing erstmals öffentlich abgehalten - ein wichtiger Schritt in Richtung Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Circa hundert Personen - Abgeordnete, MitarbeiterInnen der Parlamentsklubs, JournalistInnen, Interessierte - investierten einen Tag und vermaßen die präsentierten Pläne und Qualifikationen. Am Ende des Hearings gab es einen breiten Konsens für Gerhard Steger. "Er war eine Kategorie für sich", wie mir ein leitender Innenpolitik-Journalist seinen Eindruck mitgab. Vergeblich, wie sich anschließend zeigte. Denn so modern und zukunftsweisend das öffentliche Hearing war, so alt und gestrig verlief schließlich die Abstimmung. Parteitaktik siegte über Qualifikation. Diesen unguten Kuhhandel haben die Regierungsparteien diesmal vor den Augen der Öffentlichkeit schließen müssen, was sie jedoch nicht daran gehindert hat. Damit verpassen sie allen mündigen Bürgern im Land eine Ohrfeige. Was bleibt ist die Offenbarung, dass offensichtlich auch der neue Kanzler die alten Fesseln nicht abstreifen kann. Die wichtigste Kontrolleinrichtung des Parlaments -und somit die demokratische Hygiene - wird bewusst geschwächt. Das Machtkalkül obsiegt. Diese Regierung kann - oder will - sich nicht von innen erneuern. Immer noch ist Machterhalt die oberste, mitunter sogar einzige Zielsetzung. Der Reformauftrag rangiert unter "ferner liefen". Zukunftsgestaltung ist nicht einmal sekundär. SPÖVP machen offenbar dort weiter, wo sie nie vorhatten, aufzuhören: viel streiten, Machtspielchen und ohne Genierer packeln. Demnächst wird es wahrscheinlich bei der Bestellung des ORF-Generaldirektors in dieser Tour weitergehen. Deswegen glaube ich, dass Neuwahlen die ehrlichere und bessere Antwort für unser Land wären.