Entdeckung von 1928 fand in Fachwelt zunächst wenig Echo. | Lebensgefährliche Infektionskrankheiten wurden heilbar. | London. (ap) Vor 80 Jahren entdeckte der britische Bakteriologe Alexander Fleming Penizillin - und damit das erste Antibiotikum. Der Zufallsfund leitete eine neue Ära der Medizin ein. Die Bedeutung des Penizillins zeigt sich an vielen Orten: An der Stierkampfarena Ventas in Madrid zieht ein bronzener Matador ehrfürchtig seine Mütze vor einer auf einem Granitsockel thronenden Fleming-Büste. Der Grund: Wegen des Antibiotikums mussten Stierkämpfer bei offenen Wunden nicht mehr grundsätzlich um ihr Leben fürchten.
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Blutvergiftungen, Diphtherie, Meningitis, Syphilis oder Gonorrhö: Vielen Geißeln der Menschheit nahm das Antibiotikum zumindest einen Teil ihrer Schrecken. "Penizillin war eine der größten Entdeckungen des 20. Jahrhunderts", so der Marburger Pharmaziehistoriker Christoph Friedrich. "Mit dem Mittel wurde eine ganze Reihe lebensgefährlicher Infektionskrankheiten heilbar."
Dabei war es nicht zielgerichtetes Suchen, sondern unsauberes Arbeiten, das Fleming auf die Spur des Wundermittels führte. Bei seiner Bakterien-Forschung im Londoner St. Mary´s Hospital entdeckte der Arzt im September 1928, dass eine Kulturschale mit Staphylokokken von Schimmelpilzen befallen war.
Nur ein aufmerksamer Blick hielt Fleming davon ab, die verunreinigte Probe augenblicklich zu entsorgen: "Das Aussehen jenes Kulturmediums war so, dass ich dachte, die Erscheinung dürfte nicht missachtet werden", notierte er. Denn in unmittelbarer Nachbarschaft des Schimmels waren die Krankheitserreger abgestorben. Den keimtötenden Wirkstoff nannte er nach dem Pilz Penicillium notatum schlicht Penizillin.
Obwohl Fleming bald erkannte und auch beschrieb, dass die Substanz viele gefährliche Bakterien abtötet und gleichzeitig Körperzellen wie etwa weiße Blutkörperchen verschont, nahm die Fachwelt kaum Notiz von dem bahnbrechenden Fund. Dies hatte vor allem zwei Gründe.
Zum einen war schon bekannt, dass bestimmte Produkte von Schimmelpilzen für manche Bakterien giftig waren. "Das war damals im Grunde genommen nichts Neues", sagt der Pharmazeut Hans-Hartwig Otto. "Das Prinzip kannte man schon seit dem 19. Jahrhundert." Vor allem aber fehlte zunächst noch die Technologie, um das chemisch sehr instabile Penizillin in großer Reinheit und in großen Mengen herzustellen. "Flemings erste Penizillin-Extrakte waren noch wenig wirksam und kaum haltbar", sagt Friedrich.
Erst 1941 erstmals am Menschen angewendet
Erst 1938 griffen Forscher der Universität Oxford unter Leitung des australischen Pathologen Howard Walter Florey und des aus Deutschland emigrierten Chemikers Ernst Boris Chain die Erforschung des Stoffes wieder auf. Nach erfolgreichen Tierversuchen erhielt im Februar 1941 der erste Mensch Penizillin, der an einer Blutvergiftung leidende Polizist Albert Alexander.
Alexander erholte sich zwar zunächst rasch, starb aber einen Monat später, weil die spärlichen Penizillin-Vorräte aufgebraucht waren. Doch mitten im Zweiten Weltkrieg erkannten das britische und amerikanische Militär sofort die Bedeutung des Mittels für verwundete Soldaten. In den kommenden Jahren bestand das Hauptproblem darin, Penizillin mit den damaligen begrenzten Möglichkeiten in ausreichender Menge zu produzieren, um den enormen Bedarf zu decken.
Fleming erhielt 1945 zusammen mit Florey und Chain den Nobelpreis für Medizin. Aber es dauerte weitere zwölf Jahre, bis Forscher den Wirkmechanismus des Antibiotikums klärten. Penizillin tötet bestimmte Bakterien wie etwa Staphylokokken oder Streptokokken dadurch ab, indem es ein Enzym hemmt, das die wachsenden Keime zur Bildung ihrer Zellwand brauchen.
Bei der systematischen Suche nach anderen keimtötenden Stoffen entwickelten Forscher später Dutzende weitere Antibiotika. Dennoch werden Penizillin-Präparate, die abgesehen von allergischen Reaktionen als gut verträglich gelten, bis heute viel verwendet, etwa zur Therapie von Syphilis oder Scharlach.
Hunderte Denkmälererinnern an Fleming
Auch wenn weltweit Hunderte Denkmäler und Straßennamen an Fleming erinnern, kommentierte der Schotte seine historische Leistung stets mit Bescheidenheit. Der Titel als Erfinder des Antibiotikums stand nach seiner Ansicht dem Schimmelpilz zu, und selbst als Entdecker ließ er sich nur ungern würdigen. Es sei das Schicksal gewesen, so betonte er anlässlich der Nobelpreis-Verleihung, das zunächst ihn und später Florey und Chain auf die Spur des Penizillins geführt habe.