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Beginn eines mühsamen und langwierigen Friedensprozesses

Von Anne-Beatrice Clasmann

Politik

Kairo - Als Ägyptens Präsident Anwar el Sadat vor 25 Jahren den Entschluss fasste, als erster arabischer Staatschef ins Land der Feinde zu reisen, wusste er, was er riskierte. Zwar zeigten sich viele Israelis beeindruckt von seiner Rede vor dem israelischen Parlament und auch im Westen erhielt er viel Applaus für seine historische Geste. Doch für viele Araber und auch für einige seiner eigenen Landsleute wurde er durch seine Reise nach Jerusalem zum Verräter. Letztlich bezahlte Sadat, der 1981 von einem moslemischen Fanatiker ermordet wurde, dafür mit seinem Leben.


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Bis heute streiten die Araber darüber, ob Sadats Rede am 20. November 1977 vor der Knesset die mutige Tat eines Friedensengels oder der Verrat eines Mannes war, der auf Kosten der Palästinenser einen Separatfrieden aushandeln wollte. Der ägyptische Diplomat Mohammed Bassiouni, der seinem Land lange Jahre als Botschafter in Israel gedient hat, ist überzeugt, dass Sadat damals das einzig Richtige getan hat. "Er war ein tapferer Mann, als er in den Krieg zog, und er war ebenso tapfer, als er ging, um Frieden zu machen", meint Bassiouni. Er glaubt, dass es weder die Nahost-Konferenz von Madrid noch das Oslo-Abkommen zwischen Israelis und Palästinensern gegeben hätte, wenn Sadat damals nicht in Jerusalem ein Tabu gebrochen und den Weg zum Frieden geebnet hätte.

UNO-Generalsekretär Kofi Annan, der am vergangenen Mittwoch an der Maryland-Universität eine Rede zum Andenken an Sadats Jerusalem-Reise hielt, glaubt sogar, dass es der ägyptische Präsident war, der das Prinzip "Land gegen Frieden" als Grundsatz der Aussöhnung zwischen Israelis und Arabern etabliert hat. Genau wie später der von einem jüdischen Extremisten ermordete israelische Ministerpräsident Yitzhak Rabin, habe Sadat sein Leben für die Hoffnung auf Frieden riskiert, sagte Annan. Leider hätten die Führer von heute nicht den Mut und die Visionen ihrer Vorgänger.

Als Sadat am 9. November 1977 im ägyptischen Parlament erklärte, er sei bereit, vor der Knesset zu sprechen, waren Feinde und Freunde zunächst so schockiert, dass kaum jemand wusste, ob er sein Angebot wirklich ernst meinte. Doch der israelische Ministerpräsident Menachem Begin wollte ihn auf die Probe stellen und lud ihn offiziell ein, nach Jerusalem zu kommen. Am 19. November landete Sadats Flugzeug im "Heiligen Land", wo der Präsident von den Israelis mit Salutschüssen und Trompetenmusik empfangen wurde. Am nächsten Tag betete er zuerst in der Al-Aksa-Moschee und besuchte die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, bevor er schließlich vor die Knesset-Abgeordneten trat. Er sprach in arabischer Sprache zu ihnen und forderte sie auf, nach vier Kriegen endlich die Mauer aus Ablehnung und Angst gemeinsam niederzureißen.

Viele Sätze aus der Rede Sadats klingen heute erschreckend aktuell. "Selbst wenn es einen Frieden gibt zwischen allen Nachbarstaten und Israel, solange es keine gerechte Lösung für das Palästinenserproblem gibt, wird es nie den gerechten und dauerhaften Frieden geben", warnte Sadat damals. Er fügt hinzu: "Ich sage euch, ihr müsst ein für alle Mal die Eroberungsträume und die Überzeugung aufgeben, dass Gewalt die beste Methode ist, um mit den Arabern umzugehen".

Zwar mündete die Knesset-Rede des ägyptischen Präsidenten dank der Bemühungen von US-Präsident Jimmy Carter im Separatfrieden von Camp David und in der Rückgabe der von den Israelis besetzten Sinai- Halbinsel. Doch auf den von Sadat angesprochenen umfassenden Frieden wartet die Region noch immer, und auch die Beziehungen zwischen Israel und Ägypten sind über das Stadium des "kalten Friedens" bis heute nicht hinausgekommen, wobei das Klima heute wegen der Gewalt in den Palästinensergebieten sogar wesentlich kälter ist, als noch vor zehn Jahren.