Zum Hauptinhalt springen

Begins Erbe stößt auf Widerstand

Von Michael Schmölzer

Politik

Atomstreit eskaliert, gespanntes Warten auf Bericht der UN-Atombehörde.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien/Washington/Teheran. Mit Spannung wartet die Welt auf die Veröffentlichung eines Berichtes der internationalen Atomenergiebehörde IAEO, der Details über ein mögliches iranisches Atomwaffenprogramm enthält. In dem Dokument sollen neue Hinweise enthalten sein, wonach der Iran verschiedene Technologien entwickelt hat, die zum Bau einer Atombombe nötig sind. Vor allem Israel ist davon überzeugt, dass der Iran an der Entwicklung einer Atombombe arbeitet.

Israel hat bereits vor der Veröffentlichung des Berichts den Druck auf Teheran massiv erhöht und zieht einen Militärschlag gegen Atomanlagen in Betracht. Die USA versuchen unterdessen ein militärisches Eingreifen zu umgehen. Russland, Frankreich und Deutschland warnen Israels Regierung vor einem Waffengang. In Washington, Paris und Berlin setzt man derzeit auf eine Verschärfung der internationalen Sanktionen gegen den Iran.

Ob die Führung in Teheran den Bau von Atombomben tatsächlich anstrebt, wird nach derzeitigem Wissenstand auch der neue IAEO-Bericht nicht definitiv beantworten. Der klare Beweis, die "smoking gun", fehlt. Für Israel ist aber klar, dass der Iran bereits in wenigen Monaten eine Atombombe bauen könnte, Premier Benjamin Netanjahu drückt deshalb aufs Tempo. Zumal jetzt beunruhigende Details bekannt werden. So soll Teheran einen Stahlcontainer in Größe eines Busses gebaut habe, um darin atomare Sprengladungen zu testen. Außerdem soll das Computermodell eines nuklearen Sprengkopfes entwickelt worden sein. Die "Washington Post" berichtet, dass der frühere sowjetische Atomwissenschaftler Wjatscheslaw Danilenko dem Iran fünf Jahre lang geholfen hat, eine funktionsfähigen Atombombe zu konstruieren.

Israels "Falken", die in der Atomfrage für eine harten Kurs stehen, sprechen sich für einen Militärschlag gegen den Iran aus. Verteidigungsminister Ehud Barak dementiert zwar, dass ein Angriff auf den Mullah-Staat unumstößlich und bereits beschlossene Sache sei. Im Ernstfall sei Israel aber auch zu einem Alleingang bereit. Auch für Präsident Shimon Peres rückt ein Militärschlag näher, eine diplomatische Lösung dagegen in weite Ferne.

Während die Welt über einen Krieg im Nahen Osten spekuliert, vermittelt die Regierung Netanjahu gut sichtbar den Eindruck, dass mit einem Militärschlag jederzeit zu rechnen ist. Am Mittwoch testete Israels Armee eine Rakete des Typs Jericho-3, die mit nuklearen Sprengköpfen bestückt werden und bis in den Iran fliegen kann. Zeitgleich trainierte die Luftwaffe über Sardinien Flüge zu weit entfernten Zielen. Zudem wurden massive Raketenangriffe auf den Großraum Tel Aviv simuliert und Zivilschutzprogramme Tests unterzogen.

Im gegenwärtigen Konflikt ist Menachem Begin Vorbild der israelischen Regierung. Der Ideologe und Ex-Premier ließ im Jahr 1981 eine Atomanlage im Irak mit F-16-Kampfjets angreifen. Die Begründung Begins lautete damals, dass man es Israels Feinden unter keinen Umständen erlauben dürfe, Massenvernichtungswaffen zu entwickelt. Angriff sei die beste Verteidigung, so die Maxime Begins. Im Jahr 2007 flog Israel folgerichtig Angriffe gegen einen Atomreaktor in Syrien. Die zerstörte Anlage auf dem Territorium des Erzrivalen stamme aus Nordkorea, hieß es.

Angriff wäre "Dummheit"

Ex-Mossad-Chef Meir Dagan argumentiert allerdings eit geraumer Zeit lautstark gegen einen Militärschlag. Ein solcher wäre eine "Dummheit", so der pensionierte Geheimdienstler bei einer Konferenz. Wenig später warnte er bei einem Vortrag an der Universität von Tel Aviv, dass ein Angriff auf den Iran einen regionalen Konflikt auslösen könnte - und dem Iran damit ein weiteres Argument zur Fortführung seines Atomprogramms in die Hand gegeben würde. Die mit Teheran verbündete Hisbollah im Libanon könnte an der Seite des Iran Israel angreifen.

Internationale Experten führen ebenfalls Faktoren ins Treffen, die einen militärischen Alleingang aus der Sicht Israels als nicht sehr empfehlenswert erscheinen lasen. Israel sei zu stark isoliert, um sich auf ein riskantes Unterfangen einzulassen, heißt es hier. Das Verhältnis zur Türkei hat sich zuletzt verschlechtert, der alte Bündnispartner in Kairo, Hosni Mubarak, ist gestürzt. Die Weigerung Israels, die Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten zu überdenken, hat die Beziehungen zum wichtigsten Verbündeten USA nicht eben verbessert. "Nicht alles, was früher möglich war, ist auch jetzt noch möglich", räumt Dan Meridor, stellvertretender israelischer Premier, ein.

Militärexperten weisen darauf hin, dass ein Angriff auf Irans Atomanlagen die israelische Luftwaffe vor enorme Schwierigkeiten stellen würde. Zunächst müsste die iranische Luftabwehr überwunden, dann die Abfangjäger außer Gefecht gesetzt werden. Schließlich wären die israelischen Kampfjets gezwungen, eine große Distanz zurücklegen. Dazu kommt, dass der Iran über Langstreckenraketen verfügt und zu Gegenschlägen fähig wäre. Israel hat an seinen Grenzen zwar ein Raketen-Abwehrschild installiert, ob es funktioniert, ist nicht klar. Irans Machthaber Mahmoud Ahmadinejad hat Israel bereits mit einer "Apokalyse" gedroht.