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Der erste Primary-Sieg für Dean in Washington war klar - aber auch vollkommen irrelevant für das Rennen um die demokratische Präsidentschaftskandidatur. In der US-Hauptstadt und damit einer der Machtzentralen der Erde haben die Bürger nämlich weniger Rechte als anderwo in den USA.
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Howard Dean, demokratischer Präsidentschaftsbewerber in den USA, hat seinen ersten Vorwahlsieg schon in der Tasche. Nein, nicht in Iowa und New Hampshire, den traditionell ersten Staaten, die im Präsidentschaftswahljahr über ihren "Wunschkandidaten" im Rennen um das Weiße Haus entscheiden. Dieses Mal ist ihnen Washington zuvorgekommen. Hier wurde bereits gestern über den demokratischen Herausforderer des republikanischen Präsidenten George W. Bush abgestimmt, und nach ersten Trends gibt es keinen Zweifel daran, dass Dean, der Ex-Gouverneur von Vermont, der Liebling der demokratischen Washingtoner ist.
Die Sache hat nur einen Haken: Was immer die Bürger in der Stadt mit der Machtzentrale der Welt gestern entschieden, zählt praktisch nicht. Die Primary von Washington, der Bruch mit der Vorwahl-Tradition, ist eine Protestwahl. Washington oder gleichbedeutend der "District of Columbia" setzt sich vor die Nase von Iowa und New Hampshire, um auf ein Manko aufmerksam zu machen. Was sogar in den USA längst nicht jeder weiß: Die 527.000 Bürger der Stadt haben nur begrenzte Rechte. Sie können zwar - und das erst seit 1961 - voll berechtigt an der Präsidentenwahl teilnehmen, aber nicht an der Wahl zum gesetzgebenden Kongress.
Steht jedem der 50 US-Staaten entsprechend seiner Größe die Entsendung mehrerer Abgeordneter und zudem von zwei Senatoren zu, darf Washington überhaupt keinen Senatoren wählen und nur einen Abgeordneten, und der- oder diejenige hat nur Stimmrecht in den einzelnen Ausschüssen, aber nicht bei Entscheidungen der vollen Kammer. Zum Vergleich: Das ist so, als wäre die Bevölkerung von Berlin im Bundesrat überhaupt nicht vertreten und im Bundestag nur mit einer Person, die am Ende nicht mit abstimmen darf.
Trotzdem alle Pflichten
Und nicht nur das: Der US-Kongress kann jederzeit Entscheidungen des Stadtrats von Washington außer Kraft setzen, wenn sie ihm nicht passen, und das passiert jedes Jahr, wie Sean Tenner vom "Demokratie- Fonds" sagt. Das ist eine Organisation, die für Washingtons volle Rechte kämpft. Die vollen Pflichten hat die Bevölkerung ohnehin, und das macht den Zorn nur noch größer. Die Bürger von Washington müssen nämlich genauso Steuern an den Bund zahlen wie die Bevölkerung aller 50 US-Staaten, und sie müssen natürlich alle Bundesgesetze einhalten.
Bis 1801 war das in Washington anders, aber da gab es in diesem Ort auch noch nicht viel an Struktur und Bevölkerung. Dann wurde hier der Kongress angesiedelt und das Wahlrecht und Recht auf lokale Selbstverwaltung eingeschränkt - mit der Begründung, dass man die nationale Volksvertretung vor übermäßigen örtlichen Einflüssen schützen müsse. So wurde Washington zu einer Enklave, einem Regierungsbezirk, aber zu keinem Staat, auch nicht einem Stadtstaat mit Rechten etwa wie die von Hamburg.
Es gibt zahlreiche Organisationen, die für die Rechte der Hauptstadt- Bürger kämpfen. So auch die Demokratische Partei in der zu 60 Prozent von Schwarzen bewohnten Stadt, die sich zu einem Vorziehen ihrer ursprünglich für später vorgesehenen Vorwahl auf den 13. Januar entschlossen hat, um damit die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Benachteiligung der Bürger zu lenken.
Der Tradition verbunden
Der nationale Parteivorstand hält es dagegen mit den Traditionen und hat entschieden, dass die Washingtoner Demokraten zwar vor Iowa und New Hampshire über ihren Lieblingskandidaten entscheiden dürfen, aber ohne bindende Bedeutung für die Schlussabstimmung im August auf dem nationalen Nominierungsparteitag der Demokraten in Boston. Dean hat schon erklärt, er würde als Präsident Washington zum 51. Bundesstaat machen - mit allen Rechten.