Deutsche Arbeitsministerin Von der Leyen gibt der ÖVP bei Besuch Ezzes.
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Wien. Sie kam, sah und eroberte die Herzen der ÖAAB-Funktionäre im Sturm. Spätestens als Deutschlands Arbeitsministerin Ursula von der Leyen den ÖVP-Arbeitnehmervertretern bei deren Tagung am Freitag in Wien zurief, die "Polarisierung zwischen Rabenmüttern und Heimchen gehört auf den Müllhaufen der Geschichte", gehörte ihr der Saal. Die Funktionäre dankten der CDU-Politikerin den Aufbruchsversuch verhärteter ideologischer Fronten.
Ob die Einladung der siebenfachen Mutter zum ÖAAB-Zukunftsforum Familie, Beruf, Freizeit und ihr Plädoyer gegen verkrustete Ideologien als ÖVP-Fingerzeig für die kommende Nationalratswahl im September 2013 gelten kann, muss sich erst zeigen. Zumindest verwiesen sowohl Parteiobmann Michael Spindelegger als auch ÖAAB-Chefin Johanna Mikl-Leitner auf den Wahlgang.
Unumwunden gestand die seit 2005 als Ministerin amtierende Von der Leyen ein, dass die Politik bislang keine passenden Antworten auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gegeben hat. Dies drückt sich anhand der äußerst niedrigen Geburtenraten aus, die für Österreich statistische betrachtet bei 1,43 Kindern pro Frau liegt, während es in Deutschland gar nur 1,36 Kinder sind. Angesichts einer stetig alternden und dabei aufgrund der Geburtenrate schrumpfenden Kontinents benötige es ein neues Altersbild. "Junge laufen schneller, Alte kennen die Abkürzungen", skizzierte sie anhand eines Bonmots die Vorteile beider Gruppen. Von der Leyen scheute sich auch nicht vor der unpopulären Ansage nach Erhöhung des Pensionsalters.
Neben dem demografischen Wandel richtete die deutsche Ministerin den Blick auch auf die veränderten Arbeitsbedingungen. Neue Kommunikationstechniken, insbesondere das Internet, ermöglichen einerseits mehr Mobilität, schaffen aber gleichzeitig höheren Arbeitsdruck bis hin zur permanenten Erreichbarkeit. "Wird uns die Technik beherrschen oder wir die Technik?", stellte Von der Leyen in den Raum. Besorgt zeigte sich auch Mikl-Leitner und forderte angesichts des Verschwimmens von Arbeits- und Freizeit und zur Vorbeugung vor Burnout klare Regeln bei der beruflichen Erreichbarkeit in der Freizeit. Außerdem sei in der Gesellschaft "Egoismus immer mehr am Vormarsch".
Für die Kinder wünschte sich Mikl-Leitner die Einführung der täglichen Turnstunde; denn 28 Prozent der Kinder betrieben keinen Sport und jeder Vierte sei übergewichtig. Parteiobmann Spindelegger stellte für eine mögliche Steuerreform einen "besseren Stellenwert für Kinder" in Aussicht, blieb aber ohne Details.
Dass diese politischen Forderungen auch wirtschaftlich zu Buche schlagen, darauf verwies Von der Leyen als Einzige. Europas Staaten würden die Hälfte aller weltweiten Sozialleistungen ausgeben. Trotzdem sei ihr der westeuropäisch geprägte Sozialstaat lieber als der angloamerikanische oder jener Asiens. "Doch je teurer, desto besser müssen wir sein", mahnte sie.