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Begriffsentwirrung um das Konjunkturpaket

Von Kurt Bayer

Gastkommentare
Kurt Bayer ist Ökonom und war Board Director in Weltbank (Washington, D.C.) und EBRD (London) sowie Gruppenleiter im Finanzministerium. Er bloggt unter kurtbayer.wordpress.com.

Es ist verständlich, dass die Politik im Zuge der Alpine-Pleite Aktivismus zeigt, da die Wahl vor der Tür steht. Aber ist es volkswirtschaftlich rational?


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Ein Konjunkturpaket hat den Zweck, die Gesamtnachfrage des Staates in einer Rezession durch Ausweitung der öffentlichen Nachfrage, also durch neues öffentliches Geld, zu vergrößern und damit Wachstum zu erzeugen. Wird bereits bestehendes (budgetiertes) Geld umgeschichtet, kommt es zwar zu keinem generellen Nachfrageimpuls, es kann jedoch gezielt ein Sektor (auf Kosten anderer) unterstützt werden. Werden bereits budgetierte Projekte vorgezogen, kann es kurzfristig zu mehr Wachstum - auf Kosten späteren Wachstums - kommen.

Solche Aktivitäten müssen genau geplant, mit Kosten-Nutzen-Rechnungen bewertet und diskutiert werden. Horuck-Aktionen bringen da wenig ökonomischen Anreiz, aber vielleicht Wählerstimmen.

Es ist (für den leidgeplagten Österreicher) verständlich, dass die Politik im Zuge der Alpine-Pleite Aktivismus zeigt, da die Wahl vor der Tür steht. Aber ist es volkswirtschaftlich rational? Dazu einige Bemerkungen.

Erstens: Österreich hat seit Jahrzehnten einen überdimensionierten Bausektor. Der Anteil des Bausektors am BIP beträgt hier 6,2 Prozent, in der EU 5,2 Prozent. Ein überdimensionierter Bausektor führt zum Kampf um Marktanteile, um Niedrigpreisangebote, die laut vielfacher Meinung der Alpine zum Verhängnis geworden sind. Natürlich reiben sich im konkreten Fall die Konkurrenten die Hände, die einen Konkurrenten losgeworden sind.

Zweitens: Statt eines Bau-Konjunkturpakets, welches, wenn es wirkt, den überdimensionierten Bausektor (bis zur nächsten Pleite) aufrechterhält, sollte rasch eine Überprüfung der bestehenden Baustellen und Arbeitsgemeinschaften erfolgen und jene, die prioritär sind, sollten ohne Neuausschreibung an die Zweitbieter oder andere Willige übertragen werden. Einige werden sicher geschlossen werden müssen. Wichtig ist jedenfalls, den Zulieferern und Bediensteten rasch die Gewissheit zu geben, dass es weitergeht, da jede Verzögerung Kosten verursacht, Material und Maschinen entwertet und Arbeitslosigkeit verursacht.

Drittens: Die von der Regierung angekündigte Quadratur des Kreises, ein "Konjunkturpaket ohne Budgetbelastung" im Ausmaß von 1,5 Milliarden Euro zu erstellen, ist eine Chuzpe: Entweder es gibt nur Umschichtungen und Vorziehungen, dann gehen Letztere auf Kosten späterer Projekte; oder es gibt "neues Geld", dann muss dieses vom Staat kommen und nicht von der Asfinag, für deren Schulden der Staat haftet. Das Ausnützen eines Budgettricks sollte die Österreicher nicht täuschen. Auch deren Schulden müssen zurückgezahlt werden.

Fazit: Ein neues "Konjunkturpaket" müsste auf gesamteuropäischer Ebene entwickelt werden, um wirklich wirksam zu werden, das angekündigte österreichische ist eine wahlkampfbedingte Mogelpackung. Strukturmaßnahmen zur Weiterführung wichtiger Alpine-Baustellen sind jedenfalls wichtig und notwendig. Die wirklichen Prioritäten Österreichs im Bildungs- und Ausbildungsbereich, im Pflegebereich, im Bereich von Kinderbetreuung, bleiben wieder einmal vom Aktivismus der Regierung ausgenommen - ein Trauerspiel!