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Behielt das Steueramt alles für sich?

Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Politik

Die HSBC-Affäre schlägt in Großbritannien hohe Wellen. Die Tories sind unter Rechtfertigungsdruck.


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London. Mitten im Wahlkampf hat die HSBC-Affäre den britischen Regierungschef David Cameron empfindlich getroffen. Am Dienstag musste der Tory-Premier sich gegen den Vorwurf verteidigen, über Steuerhinterziehungs-Praktiken bei HSBC geschwiegen und den Ex-HSBC-Boss Lord (Stephen) Green zum Staatssekretär für Handel gemacht zu haben, obwohl dem britischen Steueramt Dokumente über systematischen Steuerschwindel bei HSBC vorlagen.

Cameron erklärte dazu, weder er noch irgendeiner seiner Minister hätten vor dem vergangenen Wochenende auch nur die leiseste Ahnung davon gehabt, dass HSBC über ihren Schweizer Zweig sich irgendwelcher Vergehen schuldig gemacht habe. Das wurde vom britischen Steueramt bestätigt. Die Steuerbehörde des Vereinigten Königreichs will die ihr 2010 von Frankreich zugespielten Daten über HSBC im eigenen Land an niemanden weitergegeben haben - angeblich weil sie glaubte, dass ihr eine Weitergabe nicht gestattet gewesen sei.

Die oppositionelle Labour Party, die zu den Wahlen einen härteren Kurs gegen Steuerhinterziehung versprochen hat, verlangt aber umfassende Aufklärung in dieser und in anderen Fragen. Die Partei bezweifelt, dass der Regierung nichts von den Anschuldigungen gegen HSBC bekannt war, als Premier Cameron Lord Green zum Staatssekretär machte und als das Steueramt sich für eine Politik minimaler Strafverfolgung von Steuerschwindlern entschied.

Am Mittwoch soll darum bereits die heutige Chefin der Steuerbehörde, Lin Homer, dem Unterhaus-Ausschuss für Öffentliche Finanzen Rede und Antwort stehen. Danach will der Ausschuss Lord Green vorladen. Gegebenenfalls sollen auch einzelne Minister vernommen werden. Jetzt tue "eine dringende Untersuchung" not, meinte am Dienstag die Ausschuss-Vorsitzende Margaret Hodge.

In London, wo HSBC als größte Bank Europas ihren Sitz hat, haben die Ereignisse der letzten Tage beträchtliche Unruhe ausgelöst. Die just enthüllten Dokumente, die Bankangestellte und viele Kunden belasten, waren den britischen Behörden im Mai 2010 - just zum Zeitpunkt des Regierungsantritts Camerons - von französischer Seite übergeben worden.

Dennoch ergriff man in der Folge in London weder rechtliche Schritte gegen die Bank, noch suchte man betroffene Kunden im Inselbereich zu verfolgen. Nur etwa 1100 der fast 7000 übermittelten Kundennamen mit britischer Adresse waren vom Steueramt wegen Nach- und Strafzahlungen angegangen worden. Und nur in einem einzigen Fall, in dem gegen einen Kunden eh schon ermittelt wurde, kam es zu einer Strafverfolgung. Stattdessen suchte das Amt in privaten Deals, ohne Namensnennung, hinterzogene Gelder herein zu bekommen. Insgesamt kamen aber nur 135 Millionen Pfund, weniger als in anderen Ländern, zusammen - während Experten die von Briten über HSBC Schweiz hinterzogenen Gelder auf 13 Milliarden Pfund schätzen.

Labour will genaue Auskünfte haben. Besonderes Interesse gilt freilich Green, dem zur Zeit der nun beanstandeten Praktiken die HSBC unterstand. "Entweder wusste er nichts von der Sache und hat am Steuer geschlafen, oder er wusste es und war selbst beteiligt an diesen üblen Steuer-Praktiken", meint Margaret Hodge vom Unterhaus-Ausschuss für Öffentliche Finanzen.