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Behörden im Intrigenstadl

Von Daniel Bischof

Misstrauen, Hinterlist und Aktenleaks: Der Bericht zum Ibiza-U-Ausschuss zeichnet das Bild eines zerstrittenen Justizapparats.


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Ein Lehrstück über Behördenintrigen und ihre Folgen liefert der Vorabbericht von Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl zum Ibiza-U-Ausschuss. In den Kapiteln über die Ibiza-Ermittlungen und Schredder-Affäre zeichnet er nach, wie Misstrauen die Zusammenarbeit von Behörden torpedieren kann. Die 140 Seiten betreffen mit der Strafverfolgung einen der sensibelsten Bereiche der Republik.

Der Konflikt dreht sich um drei Akteure: die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die ihr übergeordnete Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien und das Justizministerium, das an der Spitze der Weisungskette steht. Diese Hierarchie ist seit Jahren justizintern umkämpft. Nach der von der WKStA angeordneten Razzia beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung im Februar 2018 schwoll der Konflikt an. Die Durchsuchung ramponierte den Nachrichtendienst und wurde vom Oberlandesgericht Wien für rechtswidrig erklärt. Die Berichtspflichten der Staatsanwaltschaften an die OStA Wien wurden daraufhin verschärft.

Die WKStA sah sich unter die Kandare des politisch geführten Justizressorts genommen, Leiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda beschwerte sich über überbordende Berichtspflichten. Wenig Freude hatte sie auch mit einer Arbeitsgruppe im Frühjahr 2019 unter Leitung des damaligen Justiz-Generalsekretärs Christian Pilnacek zur "Effizienzsteigerung und Qualitätssicherung im Ermittlungsverfahren". Diese wurde in Folge der BVT-Affäre eingesetzt, Vertreter der WKStA wurden aber nicht eingeladen. Die ihr zugetragene Zusammenfassung der Gruppe sei für sie "eigentlich völlig wertlos" gewesen, meinte Vrabl-Sanda später im U-Ausschuss.

Tonbandaufnahme bei Besprechung

Wie schlecht die Stimmung war, zeigte sich bei einer Besprechung am 1. April 2019 rund um die Eurofighter-Causa. Neben Vertretern der WKStA waren auch Pilnacek und der Leiter der OStA Wien, Johann Fuchs, anwesend. Die Besprechung wurde "vonseiten der WKStA ohne das Wissen der beteiligten Personen auf Tonband" aufgenommen, so Pöschl.

Pilnacek sagte rund um das Verfahren unter anderem "setzts euch z’samm und daschlogts es". Das wertete die WKStA als politische Einflussnahme, Pilnacek dementierte. Staatsanwälte der WKStA zeigten Pilnacek und Fuchs an, die beiden schossen ebenfalls mit Anzeigen zurück. Sie wurden allesamt eingestellt. "Das Herangehen beider Seiten an diese tief in den dienstlichen Bereich eingreifende Auseinandersetzung war von beiden Seiten unprofessionell", schreibt Pöschl.

Die Vorwürfe tauchten am 16. Juni 2019 in den Medien auf, einen Tag, bevor das Ibiza-Video veröffentlicht wurde. Die Ausgangslage für eine erfolgreiche Kooperation bei den Ermittlungen war damit schlecht. "Man hat einander gegenseitig angezeigt, man hat einander nicht vertraut, man musste aber natürlich trotzdem zusammenarbeiten", sagte ein Justizbeamter im U-Ausschuss.

Kaum wurde das Ibiza-Video am 17. Mai veröffentlicht, tauchten bereits die nächsten Dispute auf. Die WKStA sah sich durch eine Weisung der OStA Wien eingeschränkt und auch hinter den Kulissen setzte sich der Konflikt fort. Pilnacek schrieb in einem Chat davon, "ein Vorpreschen der WKStA" verhindern zu wollen. Auch hielt er fest: "HBM (Justizminister Josef Moser (ÖVP), Anm.) möchte WKStA keine aktive Rolle zukommen lassen."

Ob sich das auf die Medienarbeit oder Ermittlungen bezog, wurde im U-Ausschuss diskutiert. Moser sagte, er habe nur darauf gedrängt, dass die Justiz medial mit einer Stimme spreche. Die Opposition ortete den Versuch, die WKStA frühzeitig aus den Ermittlungen zu drängen. In den Chats spiegle sich das "von Misstrauen geprägte Verhältnis zur WKStA" wider, so Pöschl. Die Untersuchungen würden aber keine Indizien dafür liefern, dass "Pilnacek und Fuchs an dem Wochenende nach Veröffentlichung des Ibiza-Videos" die Ermittlungen "negativ beeinflussen wollten oder tatsächlich beeinflusst haben".

Pöschl sieht im weiteren Verfahren aber mehrere fragwürdige Aktionen der beiden Justizbeamten. Es habe "die Arbeit der WKStA jedenfalls nicht fördernde, diese aber auch behindernde Verhaltensweisen von Pilnacek und Fuchs" gegeben.

Rund um die Ermittlungen trafen sich die beiden mehrfach zu Besprechungen mit hochrangigen Polizeibeamten, ohne die WKStA miteinzubeziehen. In Chats überlegte Pilnacek, wie man eine Medienkampagne gegen die WKStA starten könnte. Einer Journalistin übermittelte er den Kontakt zu einem Professor, der "viel über die Fehlleistungen der WKStA berichten" könne. Vrabl-Sanda erklärte, dass es innerhalb der "staatsanwaltschaftlichen Strukturen, von Spitzen der Aufsicht" seit Jahren "zu einer Stimmungsmache" gegen die WKStA gekommen sei. Diese Saat sei dann auch aufgegangen.

Als auffällig bewertete Pöschl die "Dichte von Berichtsaufträgen und Weisungen der OStA an die WKStA". Die Aufträge seien nach Angaben von Vertretern der WKStA bis ins Detail gegangen, "etwa, warum Zeugen telefonisch geladen wurden". Es sei unklar, ob das auf eine "besonders penible Arbeitsweise" von Fuchs oder auf einen "von Misstrauen geprägten Versuch der Einschränkung der WKStA" zurückzuführen sei.

Aktenteile auf Pilnaceks Handy

Ungewöhnlich sei ebenfalls die Kommunikation zwischen Fuchs und Pilnacek gewesen. So hat Fuchs Teile des Ermittlungsaktes abfotografiert und an Pilnacek geschickt. Zudem wurden auf Pilnaceks Handy Aktenteile, "die zu einer Zeit übersandt wurden, als Pilnacek nicht mehr die Fachaufsicht hatte", auf dessen Handy gefunden. Ob diese Teile von Fuchs stammen, ist unklar. Pöschl spekuliert, dass es sich dabei um "Informationsquellen für von den Ibiza-Ermittlungen betroffene Politiker" handeln könnte.

Neben den justizinternen Differenzen krachte es auch zwischen der WKStA und der polizeilichen "Soko Tape". Diese im Bundeskanzleramt angesiedelte Sonderkommission arbeitet rund um die Ibiza-Ermittlungen sowohl für die WKStA als auch die Staatsanwaltschaft Wien. "Die Zusammenarbeit war in der Anfangsphase von teilweise ,wilden‘ gegenseitigen Anschuldigungen geprägt", so Pöschl. Die WKStA zog die Unbefangenheit mancher Ermittler in Zweifel, die Soko bestritt die Vorwürfe. Ein Kriminalbeamter, der Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) nach Aufkommen des Ibiza-Videos geschrieben hatte, er hoffe auf einen Rücktritt vom Rücktritt, schied aus der Soko aus.

Auch Dispute um mutmaßliche Ermittlungspannen, Datenauswertungen und Informationsflüsse belasteten das Verhältnis. In der Schredder-Affäre wurden der Laptop und das Handy des Beschuldigten nicht sichergestellt. Pöschl führt das darauf zurück, dass einerseits die WKStA nicht ausreichend informiert worden sei und anderseits die WKStA verabsäumt habe, eine Sicherstellungsanordnung zu erlassen. Bei einer "professionellen Zusammenarbeit zwischen Ermittlungsbehörden" sei ein derartiger Vorgang nicht zu erwarten.

Pöschl nimmt auch die WKStA in die Pflicht, der U-Ausschuss habe hier "Defizite sichtbar gemacht". Die Probleme der Korruptionsjäger mit Beamten der Soko wären etwa "mit Kompromissfähigkeit und Wertschätzung der Arbeit anderer Behörden zu überwinden gewesen".

Laut Pöschl könnte die WKStA mit ihrer häufigen Betonung von politischen Einflussnahmen auf die Ermittlungen auch gezielt ein Motiv verfolgt haben. Denn aus den Angaben von Vertretern der WKStA im U-Ausschuss habe sich ergeben, dass diese "offenbar eine ausschließliche Kontrolle ihrer Tätigkeit durch Gerichte und somit eine Herauslösung aus der justizinternen Weisungskette" anstreben würden.

"Aus dieser Motivlage heraus ist erklärbar, warum oftmals als behindernd empfundene oder auch tatsächlich behindernde Aktionen" der OstA Wien oder des Justizressorts "als politische Einflussnahmen empfunden wurden", schreibt Pöschl. Zu mehreren Auffälligkeiten sei es rund um das Ibiza-Verfahren zwar gekommen. Konkrete Anhaltspunkte für Behinderungen der Korruptionsjäger aus politischen Motiven habe es aber nicht gegeben.

Minister in der Verantwortung

In die politische Verantwortung für die Affären nimmt der Verfahrensrichter die beiden Ex-Justizminister Moser und Clemens Jabloner. Die von Moser eingeleitete und von Jabloner fortgeführte Mediation im Justizressort sei nicht ausreichend gewesen. Nach der Dienstbesprechung am 1. April 2019 hätten wohl disziplinäre Maßnahmen eingeleitet werden müssen. Auch eine Neuverteilung bei den Zuständigkeiten und der Fachaufsicht rund um die Ermittlungen hätte Abhilfe schaffen können: "Weder Pilnacek und Fuchs noch die beteiligten Oberstaatsanwälte konnten für die Ermittlungen in der Ibizaaffäre im gegenseitigen Kontakt als unbefangen bezeichnet werden."

Die "Wiener Zeitung" fasst den Bericht des Verfahrensrichters Wolfgang Pöschl zum Ibiza-U-Ausschuss zusammen. Bereits erschienen: die Causa Öbag, die Causa Casinos, Austrian Real Estate GmbH und das "Projekt Edelstein".

Abrufbar unter:

Ibiza-Ausschuss