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Bei Asthma und Husten die Magensäure untersuchen

Von Wolfgang Kappler

Wissen

Bis zu zwei Liter Säure werden täglich von den Belegzellen des Magens gebildet. Saurer als Essig, fördert sie die Verdauung, wirkt keimtötend und schützt damit Magen und Darm vor Infektionen. Für den Steinzeitmenschen war sie lebensnotwendig. Sie half beim Zerlegen von Knochen- und Sehnenstückchen und zerstörte mit der Nahrung aufgenommene Krankheitserreger. Der Nahrung des modernen Menschen fehlen dagegen solch schwer verdaulichen Bestandteile und ausgefeilte Kühl- und Gefrierprozesse hemmen Keime am Wachsen und Vermehren. Damit ist die Magensäure zumindest in den Industriestaaten zu einem unterbeschäftigten Begleiter des Menschen geworden, der sich - so scheint's - ein neues Wirkungsfeld außerhalb des Magens sucht.


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Bei mehr als einem Viertel der Bevölkerung steigt die Säure über das übliche Maß hinaus aus dem Magen in die Speiseröhre auf, was sich oft in einem brennenden Druckgefühl hinter dem Brustbein äußert und als Refluxkrankheit bezeichnet wird. Die Ursachen dafür, dass der Verschlussmechanismus in Höhe des Zwerchfelles nicht korrekt funktioniert, sind vielfältig, aber noch nicht gänzlich geklärt. Sie reichen von organischen Veränderungen, Übergewicht, Fastfood, Stress bis hin zu Medikamenten als Auslöser. Auch standen Kaffee und Alkohol bislang auf der Hitliste. Doch haben norwegische Forscher im letzten Jahr an ihre Stelle Zigaretten und Speisesalz gestellt.

Ebenso vielfältig sind die Auswirkungen der Säure. Lange glaubte man, dass sie lediglich die Schleimhaut der Speiseröhre schädige und dort Entzündungen hervorrufe. Die so veränderte Zellschicht kann wuchern und die Speiseröhre verengen. Geschwüre können sich bilden und in letzter Konsequenz Krebs. "Heute weiß man aber, dass auch Kehlkopfentzündungen, chronische Bronchitis und Asthma ihre Ursache in der Refluxkrankheit haben können", sagt Privatdozent Dr. Markus Menges vom Universitätsklinikum Homburg.

Nicht immer aber äußert sich die Refluxkrankheit in drückenden, brennenden Schmerzen und saurem Aufstoßen, sie kann auch stumm voran schreiten. Indizien dafür haben Forscher wie Andrea Tasker von der Universität Newcastle gefunden, die bei Kindern mit Mittelohrentzündungen Magenenzyme im Ohr nachgewiesen hat. Auch Zahnärzte finden häufiger durch Magensäure verursachte Schmelzschäden, ohne dass ihre Patienten das typische Sodbrennen verspüren.

Heidelberger Forscher bestätigten, dass bei Asthma-Patienten und solchen mit chronischem Husten in bis zu 80 Prozent der untersuchten Fälle ein Reflux vorlag. Und schließlich berichtete Dr. John K. DiBaise von der Universität Omaha, dass bei Patienten mit chronischer Nasennebenhöhlenentzündung die Beschwerden nachließen, wenn die Magensäureproduktion mit sogenannten Protonenpumpen-Hemmern gedrosselt wurde. "Mit der gezielten Therapie durch diese Medikamente lassen sich verheerende Folgen für Betroffene effektiv verhindern", ist auch Prof. Stephan Pertrasch vom Klinikum Duisburg überzeugt.

Kein Königsweg

Protonenpumpen-Hemmer blockieren die Bildung eines Enzyms, das für das Einströmen der Magensäure in das Mageninnere verantwortlich ist. Die Medikamente sind zwar sicher, eine generelle Behandlung der Refluxkrankheit mit diesen hochwirksamen und teuren Arzneien scheint jedoch nicht der Königsweg zu sein. Denn, so fanden vor allem japanische und europäische Forscher heraus: Unter der Behandlung mit Protonenpumpen-Hemmern können vom Magenbakterium Helicobacter pylori verursachte entzündliche Veränderungen der Schleimhaut weiter schwelen, die Bakteriendichte kann zunehmen. Letztlich können sich so auch Krebsvorstufen entwickeln.

In diesem Dickicht neuer Erkenntnisse muss die Medizin mit dem Schulterschluss von Gastroenterologen, Lungenfachärzten, HNO- und Zahnmedizinern reagieren. Vor allem aber dürfen Betroffene das Sodbrennen nicht auf die leichte Schulter nehmen. Denn oft auch sind die Missempfindungen im Brustbereich nicht leicht von typischen Herzbeschwerden zu unterscheiden. Bei Beschwerden sollte man folgende Allgemeinmaßnahmen ergreifen: Verzicht auf späte Mahlzeiten, Einschränkung von Nikotin- und Alkoholkonsum, salzarme Ernährung, viel Flüssigkeit, Vermeidung von Flachlagerung nach Mahlzeiten. Länger andauernde Beschwerden sollten ärztlich behandelt werden.

In vielen Fällen hat sich auch eine zusätzliche Psychotherapie bewährt, da gewohntes Fehlverhalten krankheitsfördernd ist. Wer Sorgen häufig hinunter schluckt oder es nicht gewohnt ist, Probleme anzusprechen und Konflikte offen auszutragen, wird oft die Erfahrung machen, dass der Magen sauer wird.

Spezielle Information

Menschen, die unter Sodbrennen leiden, wenden sich häufig erst spät an einen Arzt. Stattdessen werden die Beschwerden bagatellisiert und als selbstverschuldet ertragen. Ein Fragebogen im Internet kann eine Entscheidungshilfe bieten, ob es sich bei den Beschwerden um eine harmlose Befindlichkeitsstörung handelt oder um ein Symptom, dem weiter nachgegangen werden sollte: www.alarmzeichen-sodbrennen.de