SPÖ und ÖVP setzen politischen Paarlauf auch im steirischen Landtagswahlkampf Wahlkampf fort.
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Graz. Mut ist gemeinhin keine politische Kategorie - für Regierende in Österreich schon gar nicht. Der traditionelle Zugang mutet allenfalls dann den veränderungsunwilligen Bürgern Adaptionen am Status quo zu, wenn sich diese aus übergeordneten Überlegungen einfach nicht mehr länger aufschieben lassen. Nur keine Zumutungen, lautet deshalb das inoffizielle Motto fast aller Regierungen in wohlhabenden Staaten.
Die Ausnahme von dieser Regel findet sich in der Steiermark. Hier haben Sozialdemokraten und Volkspartei ein interessantes Experiment gestartet, das durchaus das Potenzial hat, allgemeinere Rückschlüsse auf den Zustand des Politischen im größeren Ganzen zu gewähren. Dazu zählt etwa die Frage, ob die Wähler tatsächlich dem Reflex unterliegen, die unpopulären, aber aufgrund der prekären steirischen Budgetlage notwendige Reformen des roten Landeshauptmanns Franz Voves und seines schwarzen Vize Hermann Schützenhöfer bei den Landtagswahlen am 31. Mai mit heftigem Stimmenentzug für die beiden Koalitionsparteien abzustrafen? Und wenn ja, ändert die sonntägliche Strafexpedition des Souveräns ins Wahllokal etwas an den grundlegenden Machtverhältnissen zwischen SPÖ und ÖVP hinter dem Semmering? Die Auflösung erfolgt am Wahlabend.
Kanten zeigen die steirischen Parteien auch in ihren Antworten für den Online-Wahlhelfer der "Wiener Zeitung", der den Wählern eine Orientierungshilfe bietet, welche Partei am ehesten mit den eigenen inhaltlichen Überzeugungen übereinstimmt. Auffallend ist dabei, dass SPÖ und ÖVP bei den allermeisten Themen im Gleichschritt agieren. Umso interessanter sind die wenigen Ausnahmen von dieser Regel.
Der Umgang mit Bettlern ist so ein Fall. Der Aussage "Betteln ist ein Menschenrecht und soll daher ohne Einschränkungen erlaubt sein" stimmen SPÖ, Grüne, KPÖ, Neos und Piraten zu; Ablehnung kommt von ÖVP, FPÖ und dem Team Stronach. Unterschiedliche Standpunkte vertreten SPÖ und ÖVP auch bei der Steuerautonomie für Länder; neben der Landeshauptmann-Partei lehnen eine solche nur noch die Grünen ab, alle anderen befürworten mehr Einnahmenverantwortung des Landes. Schließlich sticht noch der Umgang mit dem Facharbeitermangel hervor, der trotz hoher Arbeitslosenzahlen die Wirtschaft hemmt: Dass der "Mangel an qualifizierten Facharbeitern durch gezielte Zuwanderung ausgeglichen" werden soll, finden ÖVP, Grüne, Neos und Team Stronach; dagegen sprechen sich SPÖ, FPÖ und KPÖ aus - auch irgendwie eine ungewohnte Konstellation.
Weniger überraschen dagegen die Antworten auf die Aussage "Ein Wechsel an der Spitze des Landes sorgt für neue Dynamik in der Landespolitik": Hier steht die Landeshauptmann-Partei SPÖ allein gegen fast alle - nur die Grünen wollen sich hier nicht festlegen, der Rest kann einem Wechsel an der Landesspitze Positives abgewinnen. Allein steht die SPÖ auch in einer weiteren Frage da: "Jede Partei im Landtag soll ihre gesamten Finanzen - Einnahmen wie Ausgaben - ohne Einschränkungen offenlegen": Damit können sich alle Parteien zumindest rhetorisch identifizieren, nur die SPÖ steht zu ihrer Ablehnung.
An einem Strang ziehen dagegen SPÖ und ÖVP in der umstrittenen Frage von Sanktionen für Integrationsunwillige. Diese Idee hatte im Jänner SPÖ-Landeschef Voves höchstselbst in die Debatte eingebracht und dafür teils heftigen Widerspruch aus der Bundespartei erhalten. Die SPÖ - wie auch ÖVP, FPÖ und Team Stronach - bleibt aber dabei, dass solchen Migranten einzelne Förderungen und Beihilfen gestrichen werden sollen. Ablehnung kommt von Grünen, KPÖ, Neos und Piraten. Keine Mehrheit findet sich südlich des Semmerings auch für ein Verbot von Glücksspielautomaten. Dafür sprechen sich nur Grüne, KPÖ, Piraten und Team Stronach aus - SPÖ, ÖVP und Neos halten davon nichts.
Größtmöglicher Konsens herrscht in der Überzeugung, dass man es mit Anti-Rauchergesetzen auch übertreiben kann: Ein "Rauchverbot auf öffentlichen Plätzen" findet bei keiner Partei Unterstützung. Die klassischen Fronten zeigen sich dagegen, wenn es um die Straffreistellung des privaten Cannabis-Konsums geht: SPÖ, ÖVP, FPÖ und Team Stronach sind dagegen, Grüne, KPÖ, Neos und Piraten dafür.
2010 war die SPÖ mit 38,3 Prozent knapp stärkste Partei vor der ÖVP mit 37,2 Prozent, gefolgt von der FPÖ (10,7), den Grünen (5,6) und der KPÖ (4,4).