Pünktlichkeit der Züge als Kriterium für Prämien von Bahn-Vorständen. | Gewerkschaft lehnt Urlaubssperre bei Euro 08 ab. | Steigende Gewalt gegen Schaffner. | "Wiener Zeitung":Herr Vorsitzender, was sagen Sie zur Dauerkrise der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) rund um Spekulationsverluste und überhöhte Gagen?
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Haberzettl: Zu den Gagen: Nur der Gewinn als Kriterium für Gehalt und Prämien ist mir zu wenig. Auch andere Kriterien wie die Zahl der Reisenden, die Tonnagen im Güterverkehr oder die Pünktlichkeit der Züge sollten einfließen. Wichtig ist, dass die Qualität der ÖBB-Dienstleistungen beurteilt wird.
Wie könnte man das Gagen-Problem lösen ?
Ich glaube nicht, dass man die Sache mit Zwangsmaßnahmen in den Griff bekommt. Eine gesetzliche Obergrenze würde zu einem Ausweichen in Naturalgeschäfte führen.
Bei den ÖBB vermissen die Bürger den sparsamen Umgang mit Steuergeld ...
Beim Thema Sparsamkeit in den ÖBB müsste man die Verantwortlichkeit der Politiker einmahnen. Die Managergehälter bei der Bahn sind in den vergangenen Jahren um das Vierfache gestiegen. Einerseits dadurch, dass es mehr Häuptlinge gibt, andererseits auch pro Kopf. Bei den Spekulationsverlusten geht es nicht nur um die Höhe von mehr als 100 Mio. Euro, sondern um die Grundsatzfrage, ob in Staatsunternehmen spekuliert werden soll. Mich erinnern diese Derivat-, und Swapgeschäfte an Luftgeschäfte. Wie wäre es sonst möglich, dass nicht einmal Experten wissen, wie viel die Papiere wert sind? Und auch nicht sicher sagen können, ob die Verluste erst später eintreten oder bereits eingetreten sind?
Was ist bei der Beauftragung der Lobbying-Agentur Geuronet für den Kauf der ungarischen Güterbahn MAV Cargo schiefgelaufen? Warum bekommt Geuronet von den ÖBB Millionen?
Der Fall wird geprüft. Ich könnte mir aber vorstellen, dass am Ende des Tages rauskommt, dass die Kosten für Geuronet in internationalen Vergleich günstig ist. Außerdem wird die Provision erst fällig, wenn die ÖBB wirklich Eigentümer der MAV Cargo sind. Auch bei der versuchten Akquisition der slowakischen Güterbahn hat es Kosten gegeben, aber die Sache wurde dann von den Slowaken abgeblasen. Vielleicht war der Zukaufsversuch in der Slowakei sogar teurer als das Ungarngeschäft.
Wie könnte man die ÖBB für die Zukunft stärken?
Den ÖBB hängt aus dem Jahr 2003 eine völlig vermurkste Strukturreform nach, aber niemand ist Manns genug, die Sache zu lösen. Es fehlt einfach der Mut. Mit jedem Monat, das vergeht, entsteht noch mehr Schaden. Man muss die ÖBB rasch reformieren, alles andere ist eine Gefahr.
Soll man die Zeit zurückdrehen?
Nein, man soll nicht alles zurückdrehen. Das ist auch gar nicht mehr möglich, und beim Personen- und Güterverkehr kann man damit umgehen, dass diese Bereiche in eigenen Teil-AGs sind. Bei der Infrastruktur hat man jedoch in Wahrheit Prozesse mitten drinnen auseinander geschnitten. Sowohl die Infra Betrieb als auch die Infra Bau machen letztlich Bau. Die eine AG macht Erhaltungsarbeiten, die andere den Neubau. Hier gibt es Doppelt- und Dreifachstrukturen.
Sehen Sie das Projekt Europameisterschaft Euro 08 auf Schiene?
Ich glaube, dass die Euro 08 im Großen und Ganzen funktionieren wird. Obwohl es im Einzelnen Probleme geben könnte. Wir fürchten, dass dann einzelne Lokführer und Verschieber gezwungen werden, statt 10 Stunden 16 zu arbeiten. Schlagartig kann ein enormes Sicherheitsproblem entstehen.
Kann es den Bundesbahnen gelingen, bei der Europameisterschaft die Fans von den anderen Fahrgästen zu trennen?
Das ist eigentlich unmöglich. Vielleicht werden manche während der Euro zu Hause bleiben, aber die Pendler sind auf die ÖBB angewiesen. Spätestens beim Nachmittagsverkehr treffen sie auf die Fans. Man kann sich vorstellen, was das für ein Platzproblem ist, wenn sich Fans und Pendler auf den Bahnsteigen stauen. Das kann zu Aggressivität führen.
Wird es eine Urlaubssperre geben?
Eine Urlaubssperre lehnen wir ab. Sie würde allein auch nicht genügen. Wahrscheinlich wird man Güterzüge ausfallen lassen, damit der Personenverkehr genügend Fahrpersonal hat. Und hoffen, dass es keiner merkt. Auch der Waggonmangel könnte zum Problem werden. Und die anderen Bahnen werden den ÖBB keine Wagen vermieten können, denn die Kroaten, Polen und Deutschen wollen ja auch mit dem Zug kommen, nicht nur die Österreicher.
Welche anderen Probleme hat die Bahn?
Ein Problem, dass immer drückender wird, ist die Sicherheit in den Zügen. Es gab in letzter Zeit schockierende Vorfälle wie etwa jenen in Amstetten, wo ein Zugbegleiter niedergeschlagen wurde. Oft ist hier Alkohol im Spiel. Ab jetzt fahren vor allem in Nachtzügen stichprobenartig Sicherheitsleute mit.