ÖBB-Mitarbeiter bei Krankenständen unter Druck gesetzt. | Ab 15-tägiger Abwesenheit war man verdächtig. | Wien. Bei der Datenaffäre der heimischen Bahn rund um illegale Krankenakten über ÖBB-Mitarbeiter dürfte es sich nicht um Einzelfälle, sondern um eine systematische Aktion des Staatsunternehmens handeln.
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In einem internen ÖBB-Brief - er liegt der "Wiener Zeitung" vor - heißt es jedenfalls: "Mit Mitarbeitern, die ein auffälliges Krankenstandsverhalten zeigen, ist seitens der Führungskraft verbindlich ein Krankenstandsrückkehrgespräch zu führen." Als untersuchenswert galt dem Schreiben zufolge jede Fehlzeit, die 15 Tage oder länger dauerte. Auch Beschäftigte, die innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten vier Krankenstände hatten, musste sich - auch wenn die Absenzen jeweils nur einen Tag gedauert hatten - unangenehmen Fragen stellen.
Das im Brief enthaltene Formular zum Krankenstandsrückkehrgespräch enthielt unter anderem die Rubriken "Erklärungen des Mitarbeiters zum Krankenstand" und "Maßnahmen". Zudem konnte angekreuzt werden, ob der Bahn-Mitarbeiter zum Zeitpunkt des Gesprächs einen unkündbaren oder kündbaren Arbeitsvertrag hatte.
Kommission schweigt
Auch mehrere Tage nach dem Auffliegen der Affäre bei den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) gibt es noch immer keine Ergebnisse der internen Kommission, die vergangene Woche eingesetzt wurde. Die Arbeitsgruppe sollte erheben, ob und wo es illegale Krankenakten in der Bahn gibt. "Im Laufe der nächsten Tage werden wir mehr wissen", sagt ÖBB-Sprecher Alfred Ruhaltinger der "Wiener Zeitung".
Aus Bahnkreisen ist derweil zu erfahren: Nur eine von insgesamt 16 Teilgesellschaften des Bahnkonzerns ist bisher als "sauber" einzustufen, bei den anderen kann ein regelwidriges Verhalten zum derzeitigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden.
Der Krankenaktenskandal, der an die Datenaffäre bei der Deutschen Bahn (DB) erinnert, war kürzlich vom Magazin "News" thematisiert worden. In einem besonders schwerwiegenden Fall wurde dem Magazin zufolge ein Aids-Kranker von seinen ÖBB-Chefs gezwungen, seine Diagnose mitzuteilen.
Von einem weiteren Fall der Verletzung des Datenschutzes bei der Bahn berichtet "Profil" in seiner aktuellen Ausgabe: Zwei Mitarbeiter des Verschubs wurden nach einem Krankenstand zu einem Termin beim Betriebsarzt bestellt. Ihr Vorgesetzter bestand darauf, bei dem Gespräch dabei zu sein.
Überhaupt wurden körperliche Gebrechen, Verletzungen und Befunde in großem Stil erfasst und auf Anweisung von oben in allen Bereichen des ÖBB-Konzerns zur Bewertung von Mitarbeitern herangezogen. Die dubiosen Praktiken rissen unter der Ägide des im Juli als Personalchef abgelösten ÖBB-Manager Franz Nigl ein, heißt es in dem "Profil"-Bericht.
Die Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau (VAEB), gegen die es bisher keinerlei Vorwürfe gibt, schließt im Gespräch mit der "Wiener Zeitung", präventiv aus, dass man jemals "Diagnosen weitergegeben" hat.