Nach 10 Jahren tritt der Österreicher Paul Achleitner als Aufsichtsratschef nun ab. Seine Bilanz ist durchwachsen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 2 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Paul Achleitner geht. Ganze zehn Jahre ist der österreichische Finanzprofi an der Aufsichtsratsspitze der Deutschen Bank gestanden. Doch nun ist Schluss: Der mittlerweile 65-jährige Manager räumt den Posten als oberster Kontrolleur des größten Geldhauses Deutschlands. Die Jahreshauptversammlung des börsennotierten Frankfurter Finanzriesen wird er am Donnerstag noch ein letztes Mal als Aufsichtsratspräsident leiten. Danach übernimmt der Holländer Alexander Wynaendts (61), einst langjähriger Chef des niederländischen Versicherers Aegon, die Funktion, die als eine der wichtigsten in der deutschen Wirtschaft gilt.
Achleitners Abtritt beendet in der Deutschen Bank eine Ära. Lange Zeit versuchte der gebürtige Linzer, das heute weltweit rund 83.000 Mitarbeiter zählende Geldinstitut in der von der Wall Street dominierten globalen Hochfinanz zu positionieren - zuerst als Berater, dann als Vorsitzender des Aufsichtsrats (ab 2012). Den strategischen Fokus verstärkt auf das Investmentbanking zu richten, rächte sich aber. Denn teure Altlasten aus der Weltfinanzkrise 2008 sowie eine Reihe hochbrisanter Rechtsfälle und Vergehen, die Milliardenstrafen zur Folge hatten, sorgten viele Jahre für zum Teil empfindliche Verluste. Als Krisenmanager hatte Achleitner dabei nicht gerade eine glückliche Hand. Dazu kam, dass die Deutsche Bank medial immer wieder in die Schlagzeilen geriet. Das nagte an ihrem Ruf.
Misstrauensanträge hatten Tradition
Während große US-Konkurrenzbanken wie etwa Morgan Stanley, Goldman Sachs und JP Morgan nach der Finanzkrise energisch ihre Bilanzen und Geschäfte entrümpelten, wurschtelte sich die Deutsche Bank durch, ohne ihre Probleme in den Griff zu bekommen. Vor diesem Hintergrund musste sich Achleitner bei den Hauptversammlungen regelmäßig massive Kritik der Aktionäre gefallen lassen. Fast schon traditionell gab es dabei jedes Jahr einen Misstrauensantrag gegen ihn und "sein System", der letztlich aber nie eine Mehrheit fand.
Darüber hinaus war Achleitner, der bis 2019 mit einer Jahresvergütung von rund 900.000 Euro das Ranking der bestbezahlten Aufsichtsratsbosse in Deutschland anführte, über Jahre mit der Frage konfrontiert, ob die Dauerkrise der Bank nicht schon längst vorbei wäre, wenn deren Aufsichtsrat nicht zu lange an falschen Vorstandsmanagern festgehalten hätte. Christian Sewing, der aktuelle Vorstandsvorsitzende, ist der vierte Konzernchef in Achleitners Amtszeit.
Auch wenn es lange so aussah, als wäre der aus Oberösterreich stammende Finanzmanager mit der Mammutaufgabe, die Deutsche Bank neu auszurichten, überfordert: Die bisherige Bilanz Sewings, der seit vier Jahren das Zepter im Vorstand schwingt, ermöglicht Achleitner nun einen versöhnlichen Abschied. Zumal die Geschäfte des deutschen Branchen-Primus nach einem Konzernumbau, mit dem das Kappen tausender Jobs verbunden war, zuletzt wieder besser liefen. So knüpfte die Bank 2021 mit einem Nachsteuergewinn von 2,5 Milliarden Euro an ihre besten Zeiten an, immerhin war es das stärkste Jahresergebnis seit 2011. Auch eine Dividende gibt es wieder (in Summe rund 400 Millionen Euro), nachdem die Aktionäre vier Jahre in Folge leer ausgegangen sind. Ins neue Jahr ist die Deutsche Bank ebenfalls gut gestartet: Das erste Quartal brachte jedenfalls einen Milliardengewinn.
Die geschäftlichen Erfolge spiegeln sich auch im Aktienkurs wider. Dieser hat sich seit seinem historischen Tief von 4,45 Euro im Frühjahr 2020 inzwischen mehr als verdoppelt. Von seinem einstigen Allzeithoch jenseits der 93-Euro-Marke ist der DAX-Titel freilich noch weit entfernt.
Aus Achleitners Sicht ist es gelungen, die Deutsche Bank in den zehn Jahren seiner Tätigkeit als Aufsichtsratschef "wieder aufs richtige Gleis" zu setzen, wie es in seiner vorab veröffentlichten Rede zur diesjährigen Hauptversammlung heißt. "Die Deutsche Bank ist wieder in der richtigen Spur. Das ist, was für mich zählt", betont er zum Abschied.
Von 2000 bis 2004 im ÖIAG-Aufsichtsrat
Seine Berufslaufbahn begonnen hat Achleitner nach seinem Wirtschaftsstudium 1984 bei der Unternehmensberatung Bain im schweizerischen St. Gallen. 1988 wechselte er zur Investmentbank Goldman Sachs und baute für sie das Deutschland-Geschäft auf, Achleitner brachte dabei etwa die Deutsche Telekom an die Börse und führte die Stahlfirmen Thyssen und Krupp zu einem Konzern zusammen. Im Jahr 2000 holte der Versicherungsriese Allianz den Investmentbanker dann als Finanzvorstand nach München (bis 2012). Von dort ging es für Achleitner beruflich nach Frankfurt in die Doppeltürme der Deutschen Bank. Dem Aufsichtsrat der österreichischen Staatsholding ÖIAG (heute Öbag) gehörte der privat in München lebende Manager von 2000 bis 2004 an.