Ende 2021 soll das Privatkundengeschäft Geschichte sein. Ob es veräußert wird, soll im zweiten Quartal entschieden werden. Ein Verkauf würde wohl das Gros der Arbeitsplätze retten.
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Mit seiner Ankündigung, das Privatkundengeschäft in Österreich aufzugeben, hat der niederländische Finanzriese ING Anfang März für große Überraschung gesorgt. Rund 340 Beschäftigte bangen seither um ihren Arbeitsplatz. Denn noch ist offen, in welcher Form der Rückzug bis Jahresende 2021 erfolgen soll. So wäre auch ein Verkauf denkbar. Immerhin zählt der online betriebene Geschäftsteil der ING Austria alles in allem rund 550.000 Kunden mit Spareinlagen, Girokonten, Wertpapierdepots sowie Konsum- und Immobilienkrediten.
"Wir evaluieren strategische Optionen, die auch einen möglichen Verkauf des Privatkundengeschäfts beinhalten", hatte der Chef der österreichischen ING-Tochterbank, Barbaros Uygun, zu Monatsbeginn via Aussendung wissen lassen. Eine fixe Entscheidung, ob nun verkauft wird oder nicht, steht vorerst noch aus. Bei der in Wien ansässigen ING Austria wird jedoch davon ausgegangen, dass es diese im Laufe des zweiten Quartals geben wird. "Logischerweise muss es bis Ende Juni zu einer Entscheidung kommen, weil wir unsere Produkte ja zurückfahren müssen", erklärt eine Sprecherin der Digitalbank im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
Reine Sparkunden für andere Banken wohl kaum interessant
Was konkret von der Geschäftssparte veräußert werden könnte, sollte sich das Bankmanagement für einen Verkauf entscheiden, ist freilich unklar. Zumal im Zuge des Rückzugs geplant ist, in einem ersten Schritt die Beziehungen zu jenen Kunden, die nur ein Sparkonto bei der ING Austria haben, bereits Anfang Juni zu beenden. Diese sollen ab April schriftlich verständigt werden und in weiterer Folge ihr Sparguthaben auf ihr Referenzkonto überwiesen bekommen. Wie aus der Finanzbranche zu hören ist, geht es da um 400.000 bis 450.000 Kunden, für die das ING-Sparkonto meist ein Zweitkonto gewesen ist.
Gerade hier spießt es sich jedoch. "Keine der größeren Banken wird sich um diese Kunden reißen, schon gar nicht wenn sie mit dem übrigen Privatkundengeschäft der ING Austria quasi mitverkauft werden", analysiert ein Banker, der anonym bleiben will. Das Problem: Für überschüssige Liquidität, die Kommerzbanken bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parken, müssen sie derzeit Strafzinsen zahlen, die sie Privatkunden in Österreich in Form von Negativzinsen laut Gesetz aber nicht weiterreichen dürfen.
Genau das ist auch das Problem bei der ING Austria, die in der Vergangenheit zu sehr auf das Geschäft mit Spareinlagen gesetzt hat und für die reine Sparkunden wegen des seit Jahren bestehenden Niedrigzinsumfelds nun zu einem Verlustgeschäft geworden sein dürften. "Wir hätten uns früher von den Sparkunden trennen müssen", wird jetzt bei der ING in Österreich eingeräumt. Drastischer wird es in der Branche formuliert: "Die Bank ist mit ihrem Geschäftsmodell gescheitert."
Brancheninsider:"Der ,Rest‘ ist dann attraktiver"
Ohne die reinen Sparkunden würde die Privatkundensparte der ING Austria 100.000 bis 150.000 Kunden umfassen. Wobei es davon wiederum etwa 50.000 Hausbank-Kunden gäbe - also Kunden, die neben einem Girokonto mit regelmäßigen Geldeingängen zumindest noch ein weiteres Produkt der Bank - etwa im Bereich Finanzierung oder Wertpapierveranlagung - nützen. "Der ,Rest‘ ist dann attraktiver, und nach diesem Kunden-Pool würde der Markt sehr wohl die Fühler ausstrecken", sagt der bereits erwähnte Brancheninsider.
Allzu weit wollen sich heimische Banken, die als Interessenten in Frage kämen, hier zunächst aber nicht aus dem Fenster lehnen. Bei der Post AG etwa, die gerade dabei ist, ihr im April 2020 ins Leben gerufene Geldinstitut, die "bank99", weiter zu entwickeln, heißt es: "Jeder Kunde, der am Markt zu haben ist, ist für uns interessant. Aber derzeit gibt es von uns kein Angebot, das ausdrücklich auf die Kunden der ING Austria abzielt." Auch andere Institute - darunter Bank Austria, Erste Bank, Raiffeisen und Bawag - wären zwar an einzelnen Kunden interessiert, wollen sich aber nicht festlegen, ob sie am Privatkundengeschäft der ING Austria interessiert wären, falls es verkauft werden sollte. Gar kein Interesse hätte indes die Oberbank: "Nein, wir sind nicht interessiert."
Nunmehr Fokus auf das Geschäft mit Firmenkunden
Sollte die ING Austria ihr Privatkundengeschäft einstellen, ohne es zu verkaufen, gibt es aus Sicht von Konsumentenschützern Diskussionsbedarf - vor allem, wenn es um die Umschuldung von Krediten oder die Übertragung von Wertpapierdepots geht. Da könnte es für einige Kunden komplexer werden, wie es heißt. Im Fall eines Verkaufs des Geschäfts an eine andere Bank sei es im Normalfall aber so, dass bestehende Verträge in der Regel mit ihren alten Konditionen gültig bleiben und die Käuferbank als neuer Vertragspartner automatisch an die Stelle der ING tritt.
Österreich ganz den Rücken kehren will die ING nach ihrem Markteintritt vor 18 Jahren indes nicht. Künftig möchte sie sich ausschließlich auf das lukrativere Geschäft mit Firmenkunden konzentrieren. In diesem Bereich sind derzeit 14 Mitarbeiter am Standort Wien tätig.