)
Politische Parteien fast geschlossen für EU-Reformwerk. | Vertagsgegner erhalten Unterstützung aus dem Ausland. | Dublin. Heute, Freitag, stimmen die Iren über den Lissabon-Vertrag ab. Kaum ein Laternenmast kommt in der irischen Hauptstadt ohne eine Vielzahl von Plakaten aus. Die auffälligsten stammen von Nein-Protagonisten und zielen auf Emotionen. Mit toten Säuglingen - Stichwort: Abtreibung - oder dem Schreckgespenst eines künftigen Mindestlohns von 1,84 Euro tun sich die katholischen Aktivisten der Anti-Lissabon-Gruppe Coir hervor.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Libertas, die Truppe des Lissabon-Gegners Declan Ganley, punktet immerhin noch mit blassen weinenden Mädchen, die vor einer Weltuntergangskulisse über das Ende der Demokratie trauern. Diese Plakate sind jedoch in der Minderheit. Regierungs- wie Oppositionsparteien werben für ein Ja - 95 Prozent aller gewählten Vertreter, sagt Europaminister Dick Roche. Nur die Sinn Fein, lehnt den neuen EU-Vertrag ab - und zwar, weil man der Regierung nicht trauen könne.
Genau das versuchen die anderen Oppositionsparteien zu trennen: "Am Freitag stimmen wir im Interesse des Landes mit Ja. Am Samstag nehmen wir uns Fianna Fail (die Partei von Regierungschef Brian Cowen) vor", erklärt etwa Labour-Chef Eamon Gilmore. "Wenn wir mit Nein stimmen, entscheiden wir uns dafür, am Bahnsteig stehen zu bleiben, während unser Zug abfährt", sagt Roche, ein Parteigänger des Premiers. Ein Nein hätte verheerende Auswirkungen auf Investitionen und Jobs. Und schließlich gebe es jetzt zum Unterschied vom ersten Mal Garantien der EU; etwa dafür, dass die irische Steuerhoheit nicht angetastet werde. "Selbst sehr beschäftigte Geschäftsleute, die keine Zeit haben den ganzen Vertrag zu lesen, können jetzt diesen einen Satz lesen", meint Roche.
Doch das wollen die Nein-Vertreter nicht hören. "Es hat sich nichts am Vertrag geändert und ich habe auch das letzte Mal mit Nein gestimmt", sagt der Taxi-Fahrer Paul McEllone. Cowen habe vor dem ersten Referendum gesagt, es könne keinen besseren Deal geben. Jetzt behaupte er genau das Gegenteil. Darüber hinaus sei die EU für die Deregulierung des Taxi-Marktes in Dublin mitverantwortlich. Jetzt gebe es in der Stadt mit 14.500 Taxis mehr als in New York. Außerdem müsse Irland für eine EU-Armee mitzahlen, selbst wenn es nicht gezwungen werde, teilzunehmen, meint McEllone. Dagegen sei er ebenfalls. "Taxifahrer sagen Nein zu Lissabon", steht auf einem Plakat am Straßenrand.
Unterstützung bekommen die Vertragsgegner auch aus dem Ausland. So erläutert der deutsche Aktivist Johannes Heckmann, dass der Lissabon-Vertrag die Militarisierung der EU zur Folge habe und Angriffskriegen die Tür öffne. "Mit Tony Blair soll ein Kriegsminister der erste EU-Außenminister werden", meint er. "Das zeigt, in welche Richtung es gehen soll."
Meghan McBride lächelt müde. "Das ist einfach nicht wahr", sagt sie. "Davon steht nichts im Lissabonner Vertrag." Spekulieren könne man immer über alles Mögliche. Mit der Plattform "Irelandforeurope" wirbt sie für ein Ja. Trotz zuletzt positiver Umfragen, gehe sie noch nicht fix von einem Erfolg aus. Angeblich sei die Stimmung in einigen Vierteln Dublins in Richtung Nein umgeschwenkt.
Das findet der Pole Darius Zakrzewski gut. Wie Heckmann greift er den Vertragsgegnern beim Straßenwahlkampf unter die Arme, schwenkt Flugzettel von Coir. "Es geht um die Demokratie", ruft er. Es könne schließlich nicht sein, dass man die Menschen so lange abstimmen lasse, bis es das richtige Ergebnis gebe. Er lebe zwar meist in den USA, erzählt er. Doch er könne nicht zusehen wie 40 Millionen seiner Landleute ihre Souveränität verlieren. Und mit Lissabon werde eine "Nation Europa" angestrebt.
"Peinlich für Irland"
Überhaupt kein Verständnis für solche Töne hat der irische Geschäftsmann Mike Webster. Schon das erste Nein sei "peinlich für Irland" gewesen. Er habe bei Geschäftskontakten in Europa unmittelbar gemerkt, dass das Klima abgekühlt sei. "Was ist mit euch Iren los? Seid ihr nicht mehr für die EU?", habe ihn ein Geschäftspartner gefragt. Dann diese unsägliche Allianz der Vertragsgegner: So habe die British National Party - "englische Nationalisten" - den Iren vorschreiben wollen, Nein zu wählen, empört sich Webster - "unvorstellbar". Der Geschäftsmann erwartet sich diesmal eine klare Zustimmung für den Lissabon-Vertrag: "Wenn wir noch einmal mit Nein stimmen, wandere aus."