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Bei Forschungsstrategie hat Österreich Aufholbedarf

Von Heiner Boberski

Wissen
Der Blick über den Zaun ist nicht genug für exzellente Forschung. Sondern es gilt, die eigenen Stärken zu fördern.
© © © Les and Dave Jacobs/cultura/C

Wifo-Chef Karl Aiginger fordert radikale Veränderungen an den Hochschulen.


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Wien.Österreich sollte "Frontrunner statt Mitläufer" in der Forschungs-, Technologie- und Innovations-Politik (FTI-Politik) sein und hier entsprechend investieren, in der Praxis erweise sich aber die Schuldenbremse als wichtiger als die Forschung. Die Konsolidierung und die Beharrungskräfte im Land gefährden die Zukunft. Diesen Befund lieferte am Freitag Karl Aiginger, Direktor des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo), bei der Europa-Tagung 2011 des Wissenschaftsministeriums zum Thema "Neue Horizonte der FTI-Politik in Europa: Wie bringt sich Österreich in Stellung?"

Europa sei ein "Erfolgsmodell in der Midlife Crisis", führte Aiginger aus, und die beste Medizin gegen diese Krise sei eine FTI-Strategie, wie sie nun die EU bis 2020 umsetzen wolle. Österreich könne auf einen beachtlichen Aufholprozess verweisen - die Quote für Forschung & Entwicklung nähere sich der in den Lissabon-Zielen genannten Drei-Prozent-Marke, doch die für 2020 ehrgeizig angestrebten 3,76 Prozent vom Brutto-Inlands-Produkt (BIP) - das dritthöchste Ziel, das sich ein EU-Land setzt - seien angesichts der gegenwärtigen Stagnation kaum erreichbar.

Wachstumsblocker

Aiginger ortet eine Reihe von Problemzonen und Wachstumsblockern. Im Hochschulbereich sei man weit von den angestrebten zwei Prozent des BIP entfernt, dort bedürfe es radikaler Veränderungen. Die Universitäten seien unterdotiert und überfüllt, sie sollten ein drittes Semester und weitere Reformen andenken. Ein konkreter Vorschlag Aigingers: Studierende sollten genau über ihre Eignung und die Knappheiten bei Studienplätzen und später auf dem Arbeitsmarkt informiert werden. "Studiengebühren in Verbindung mit höheren Stipendien sind effizient und sozial", betonte er und ergänzte: "Wenn dabei differenziert wird, dann nicht nach den Kosten, sondern nach den Arbeitsplatzchancen."

Im Klartext: Wer ein Studium absolvieren wolle, mit dem er fünf Jahre später auf dem Arbeitsmarkt so gut wie keine Chancen habe, sollte das frei tun können, aber dafür mehr bezahlen als jemand, dessen Qualifikation der Arbeitsmarkt dringend brauche. In Österreich fehlen heute vor allem Naturwissenschafter, Techniker und Facharbeiter.

Wie Aiginger trat auch Georg Kapsch von der Industriellenvereinigung dafür ein, dass die Regierung den Mut aufbringen sollte, antizyklisch zu handeln und trotz Budgetkonsolidierung die Sektoren Forschung und Bildung höher zu dotieren. Die jetzige Planung von knapp einem Prozent Steigerung pro Jahr laufe, so Aiginger, angesichts der wieder auf rund zwei Prozent gestiegenen Inflation auf eine reale Kürzung hinaus.

Seitens der EU-Kommission stellte Anneli Pauli, die stellvertretende Generaldirektorin für den Bereich Forschung und Innovation, "Horizon 2020" vor, das neue umfassende EU-Förderprogramm, das von 2014 bis 2020 den bisher sieben EU-Rahmenprogrammen folgen soll. Bis 2014 soll auch der Forschungsraum Europa (European Research Area/ERA) verwirklicht sein. Er soll alle Aktivitäten, Programme und politischen Aktionen auf dem Gebiet von Forschung und Entwicklung umfassen, die eine übernationale Perspektive beinhalten. In seinem Rahmen sollen die Kommunikation, die Zusammenarbeit, aber auch der Wettstreit von Forschern und einschlägigen Institutionen über Grenzen hinweg verbessert werden. Das Ziel ist, einen europaweiten Raum für Wissen und Technologie zu öffnen, in dem transnationale Synergien und Komplementärkräfte voll ausgeschöpft werden.

Skepsis gegenüber zu viel "Planwirtschaft" und einer Fokussierung auf wenige Forschungsgebiete meldete Christoph Kratky, Präsident des Wissenschaftsfonds, an. Auch die Schweiz oder Schweden seien kleine Länder, jedoch weltweit in der Forschung in vielen Bereichen an der Spitze. Man sollte nicht immer nur den "Megatrends" in der Forschung folgen, denn wo die wahren Innovationen entstehen, lasse sich nie genau vorhersagen.