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Bei Japans Reformern herrscht Katerstimmung

Von WZ-Korrespondent Martin Fritz

Politik

Ex-Generalsekretär will sich rächen. | Japan hat großen Reformbedarf. | Tokio. Nach dem Rücktritt von Premierminister Yukio Hatoyama wählt Japans regierende Demokratische Partei (DPJ) am heutigen Freitag einen neuen Vorsitzenden. Aufgrund der DPJ-Mehrheit im Parlament wird er noch am selben Tag zum neuen Premierminister gekürt. Die große Eile geschieht mit Blick auf die Oberhauswahl in fünf Wochen. Die neue Spitzenkraft soll so Zeit erhalten, die absehbare Wahlniederlage zumindest abzuschwächen.


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Hatoyama hatte am Mittwoch nach nur neun Monaten Amtszeit den Premierminister-Posten aufgegeben, weil Umfragen zufolge nur noch 20 Prozent der Wähler hinter ihm standen - ein Absturz von über 70 Prozent im September. Er begründete seinen Schritt damit, dass das Volk ihm nicht mehr zugehört habe.

Tatsächlich hatte der 63-Jährige die Öffentlichkeit durch Entscheidungsschwäche und Meinungswechsel tief verunsichert. So konnte er sein Versprechen, einen umstrittenen US-Marinestützpunkt von Okinawa zu entfernen, nicht halten. Außerdem hatte er Spenden seiner Mutter für seine politische Arbeit jahrelang nicht versteuert.

Viele wünschen sich neues Gesicht bei DPJ

Hatoyamas Niedergang und Rücktritt haben die DPJ schwer erschüttert. In der heterogenen Partei zeigen sich erste Risse. Eigentlich gilt Finanzminister Naoto Kan als klarer Favorit für die Nachfolge von Hatoyama. Mit Verkehrsminister Seiji Maehara und Außenminister Katsuya Okada unterstützen ihn gleich zwei wichtige Rivalen. Doch viele Abgeordnete der größten DPJ-Faktion, die ihren Parlamentssitz dem bisherigen Generalsekretär Ichiro Ozawa verdanken, wollen den 50-jährigen Shinji Tarutoko wählen. Anders als Kan sei er ein "frisches Gesicht".

In Japan wird diese Kandidatur als Racheakt des mächtigen Strippenziehers Ozawa an seinen Kritikern gewertet, die seine Spendenaffären für den DPJ-Popularitätsschwund mitverantwortlich machen. Offenbar ärgert es Ozawa, dass die Eignung von Kan damit begründet wird, er habe bei Parteispenden eine blütenweiße Weste.

Hatoyama hatte am Mittwoch auch Ozawa zum Rücktritt gezwungen, um eine "neue, saubere DPJ zu erschaffen". Nun kämpft Ozawa darum, das Machtzentrum der DPJ zu bleiben.

Auf den neuen Premier warten schwere Aufgaben, darunter eine gigantische Staatsverschuldung, fallende Preise, eine alternde Gesellschaft und die wachsende Rivalität mit Asiens neuer Großmacht China. Die DPJ-Reformen blieben bisher stecken: Die Macht der Beamten wurde nicht gebrochen und die Verschwendung von Steuergeldern nicht gestoppt. Neue Sozialausgaben wie ein Kindergeld werden auf Pump finanziert. Außerdem fehlt eine überzeugende Wachstumspolitik für die exportabhängige Wirtschaft.