Nach der Verhaftung der beiden letzten mutmaßlichen serbischen Kriegsverbrecher Ratko Mladic und Goran Hadzic hat sich deren Heimatland europaweite Anerkennung verdient.
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Die von vielen Nachrichtenagenturen jahrelang geprägte und mit Vorurteilen aus der Zeit von Slobodan Milosevic behaftete negative Haltung Europas gegenüber Serbien sollte endlich revidiert werden.
Nach der Verhaftung der beiden letzten mutmaßlichen Kriegsverbrecher Ratko Mladic und Goran Hadzic hat sich Serbien europaweite Anerkennung verdient. Was Präsident Boris Tadic und die von seiner Partei geführte Regierung in den vergangenen Jahren gegen die Grundstimmung in der eigenen Bevölkerung und gegen die Polemiken der Opposition zur Befriedung der Gesamtsituation in diesem nach wie vor sensiblen Teil Europas getan haben, nötigt Respekt ab. Wer die emotionale Lage in Serbien kennt, weiß, was es für die Regierungsparteien bedeutete, als anlässlich des 15. Jahrestages der Massaker von Srebrenica am 31. Oktober 2010 im serbischen Parlament eine Resolution beschlossen wurde, in der die serbischen Gräueltaten an den bosnischen Muslimen auf das Schärfste verurteilt wurden und sich die serbischen Parlamentarier bei den Familien der Opfer entschuldigten. Tadic war mehrfach, zuletzt am 10. Juli 2010, nach Srebrenica gereist und hatte der 8000 Opfer der bosnisch-serbischen Massaker gedacht. Anfang November 2010 war er auch ins kroatische Vukovar gereist und hatte sich für die Ermordung von rund 200 Kroaten durch serbische Truppen im Jahr 1991 entschuldigt. Das waren sicher keine einfachen Schritte für den serbischen Präsidenten, der in seinem Land dafür wohl keine besonderen Sympathien erntete.
Bis vor kurzem noch undenkbar, war die serbische Regierung auch bereit, in direkte Verhandlungen mit Vertretern des von Serbien nicht anerkannten Kosovo einzutreten.
Auch innenpolitisch gab es in letzter Zeit eine Reihe von Fortschritten. Der autonomen Provinz Vojvodina wurde mit Jahresbeginn ein neues Statut zugestanden, das die Eigenständigkeit dieser Region stärkt. Eine generelle Dezentralisierung der staatlichen Gewalt wird intensiv diskutiert. Die serbische Gesetzgebung wurde in den vergangenen drei Jahren konsequent an die europäischen Standards angepasst. Natürlich bleibt noch viel zu tun.
Auch Serbien wurde von der internationalen Krise getroffen. 2008 wuchs die Wirtschaft noch um 5,1 Prozent, 2009 stellte sich ein Rückgang um 3,5 Prozent ein. 2010 wuchs Serbiens Wirtschaft aber bereits wieder moderat um 2 Prozent, Tendenz leicht steigend.
Es liegt nun an der EU, die gewaltigen Fortschritte Serbiens endlich anzuerkennen, dem Land mit Jahresende den Kandidatenstatus zu verleihen und den Beginn der Beitrittsverhandlungen festzulegen. Serbien ist der Garant für den Frieden auf dem Westbalkan und damit in Europa. Nach dem Abschluss der Beitrittsverhandlungen mit Kroatien muss die EU in ihrer derzeit kritischsten Phase neuerlich ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen. Die österreichische Außenpolitik ist aufgerufen, dabei hilfreiche Dienste zu leisten.
Franz Schausberger war Landeshauptmann von Salzburg. Er ist Universitätsprofessor, Historiker und leitet das Institut der Regionen Europas.
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