Bei einem Wiener Heurigen also haben sich die Spitzen von Ärztekammer und Gewerblicher Sozialversicherung auf einen Kompromiss zur raschen Beendigung des vertragslosen Zustandes für die Selbständigen geeinigt. Die Reblaus hats wieder einmal geschafft.
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Man weiß nicht, ob man ob dieser Ortswahl lachen oder weinen soll. Das entspricht so klassisch sämtlichen verklärenden Klischees rund um die österreichische Sozialpartnerschaft, dass man fast zwingend an eine späte, dafür umso bewusstere Inszenierung der Einigung glauben muss: Eine Konsenslösung, mit der alle leben können - und das noch dazu in amikalem Rahmen, höchstselbst herbeigeführt von den Spitzen der Sozialpartner, aufrichtigen Männern, deren Wort auch in hektischen Konfliktsituationen noch etwas zählt.
So, oder zumindest so ähnlich, muss man sich wohl als gelernter Österreicher die mitschwingende politische Botschaft dieser Rahmenhandlung vorstellen. Den Beweis eben, dass die Sozialpartnerschaft auch in schwierigen Zeiten, wenn rundherum die Regierungen Schiffbruch erleiden, funktioniert und sich die Menschen auf diese besondere Form der Schattenregierung verlassen können.
Tatsächlich war dieser aufwendig gepflegte Mythos durch den vertragslosen Zustand auf dem Rücken der Versicherten in höchster Gefahr. Die Spitzen der Sozialpartnerschaft schweben bei den Vertrauenswerten weit über den Niederungen der hiesigen Tagespolitik, Kanzler und Vize können von solchen Zustimmungsraten allenfalls träumen.
Dabei bewältigen Gewerkschaft und Wirtschaftskammer ihre tägliche Routine wie das Aushandeln von Kollektivverträgen zumeist reibungslos. Wenn es jedoch um längst fällige Strukturreformen geht, erweist sich auch die Lösungskompetenz der Sozialpartner um nichts besser als jene der Regierung: Seit Jahrzehnten werden die großen Brocken Gesundheit, Pensionen, Verwaltungsreform vor sich her geschoben.
Aber fehlende Lösungskompetenz passt nicht zum medial so sorgfältig gepflegten Image der "Troubleshooter" von der Sozialpartnerschaft. In höchster Not muss eben wieder ein Heuriger her, um das Gegenteil zu demonstrieren.