Es ist eine traurige Sache, wenn ein Kind im Bein, meist in Knienähe, im Ober- oder Unterschenkel, Knochenkrebs bekommt. Doch kann man glücklicherweise durch totale operative Entfernung des bösartigen Gewebes und der Umgebung, auf beiden Seiten rund 5 cm über das befallene Knochenstück hinaus und etwa 2 cm in die gesunden Weichteile hinein, in fast drei Viertel der Fälle die Krankheit heilen.
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Danach muss man aber für die beseitigten Knochenteile Ersatz schaffen, damit der Patient wieder gehen kann. Das geschieht durch Implantation einer sogenannten Endoprothese (endon, griechisch, innen, inwendig), meist aus Metall, mit einem Gelenk, das die Aufgaben des Knies übernimmt. Sie wird in den benachbarten Knochen fest verankert, am besten ohne Zement.
Die Schwierigkeit dabei ist, dass der junge Mensch ja wächst und dadurch auch das gesunde Bein immer länger wird. Das operierte Bein sollte sich natürlich im gleichen Maße vergrößern, das heißt, das Implantat sollte eine Einrichtung haben, um verlängert werden zu können. Im Wiener Allgemeinen Krankenhaus (AKH) geschah das bei 45 Patienten, von denen 13 ausgewachsen sind, durch Einsetzen einer Endoprothese, die in einer kleinen Operation durch manuelles Weiterdrehen eines eingebauten Mechanismus immer wieder um fünf bis zehn mm verlängert werden kann.
Bisher wurden bei den jungen Menschen fünf bis 25 derartige Operationen durchgeführt und die Prothesen dabei um bis zu 19,5 cm verlängert. Bis jetzt hat man Erfahrungen aus sechs bis 13 Jahren. Die Operationen haben mehrere Nachteile: jedes Mal besteht die Gefahr einer Infektion und es entstehen Narben, die die Bewegung des Kniegelenks beeinträchtigen. Ihre Zahl sollte daher möglichst verringert werden.
Am 13. Juli erschien in "Nature", der führenden internationalen Wissenschaftswochenschrift, ein Artikel, in welchem von den Erkenntnissen mit der mechanischen Verlängerung bei elf Patienten und gleichzeitig von einem sich automatisch selbst verlängernden - gewissermaßen mitwachsenden - Beinimplantat für zwei Kinder berichtet wird. Bei dieser Weiterentwicklung erfolgt die Verlängerung durch eine Nockenwelle im Gelenk, was zum ersten Mal eine Beugung des Knies bis zu 140 Grad erlaubt. Die Verfasser sind der Vorstand der Universitätsklinik für Orthopädie im AKH, Prof. Dr. Rainer Kotz, und Oberarzt Dr. Martin Dominikus sowie Prof. Reinhard Windhager aus Graz und zwei Mitarbeiter der deutschen Firma, die die neuartige Endoprothese mitentwickelte und anfertigt.
Das Wesentliche des Gerätes ist eine Spindel mit Schraubengewinde, das sich durch das Beugen des Kniegelenks jeweils ein ganz klein wenig weiterdreht und so die Prothese stufenweise um ein winziges Stück verlängert. Der eine Patient erhielt das neue Gerät schon 1991, der andere 1998, so dass man bereits über eine neunjährige Erfahrung verfügt. In diesen beiden Fällen waren zwar auch sechs bzw. neun Operationen erforderlich, doch die bisherigen selbsttätigen Verlängerungen betrugen 14,5 bzw. 16,9 cm. Ein abnormales, übermäßiges "Wachstum" der "Ersatzknochen" wird durch die Muskeln und Sehnen verhindert.
Der Sinn der automatischen Verlängerung ist, dass man nichts mehr weiter machen muss, bis das Knochenwachstum abgeschlossen ist. Dann wird eine definitive Erwachsenenendoprothese implantiert, die, wenn alles gut geht, bis ans Lebensende ungestört funktionieren sollte.