Die "Patientenrechte in Österreich" waren das Thema der Herbsttagung der Österreichischen Juristenkommission gestern in Wien. Tenor der prominent besetzten Veranstaltung: Eine einheitliche Regelung des Rechtsbereichs dürfte aufgrund der komplizierten Kompetenzverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden sehr schwierig werden.
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Nationalratspräsident Heinz Fischer (S) erinnerte in seiner Eröffnungsrede im Budgetsaal des Parlaments, dass - trotz "bemerkenswerter legislativer Fortschritte in den letzten Jahren" - weiterhin die Frage im Raum stehe, ob die Patienten wirklich in die Lage seien, ihre Rechte in Anspruch zu nehmen. Fischer würdigte in diesem Zusammenhang die Tätigkeit der Patientenanwaltschaften in Wien, Kärnten, Burgenland und Vorarlberg.
Gerhard Holzinger, VfGH-Mitglied und Präsident der Juristenkommission, skizzierte den Ausgangspunkt der Patientenrechte-Diskussion: Es gebe derzeit eine Vielzahl von Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder, dazu kämen Patientenrechte, die aus dem privatrechtlichen Behandlungsvertragswesen entwickelt wurden. Es gebe die Kritik, führte Holzinger weiter aus, dass die Rechtslage unzureichend und daher die Ausarbeitung eines umfassenden Patientenschutzgesetzes im Verfassungsrang geboten sei. Staatssekretär Reinhard Waneck forderte ein unabhängiges System zur Abgeltung medizinischer Schäden und die Einrichtung eines Entschädigungsfonds für Menschen, die sich als Plasmaspender mit Hepatitis C infiziert haben. Die Bevölkerung habe das Recht auf Zugang zum gesamten Leistungsspektrum des Gesundheitssystems. Dazu gehöre auch eine ärztliche Versorgung in der Nacht und an Wochenenden. In diesem Sinne sei derzeit eine Novelle zum Ärztegesetz in Begutachtung, worin auch Gruppenpraxen ermöglicht werden sollen.
"Die heutige hohe Lebenserwartung wird mit hohen Risikofaktoren erkauft," begann der Wiener Gesundheitsstadtrat Sepp Rieder sein Referat: Während es bei den Infektionskrankheiten einen drastischen Rückgang gäbe, nähme die Zahl der chronischen Erkrankungen stetig zu. Die veränderten ökonomischen und gesellschaftlichen Verhältnisse wirkten sich auch auf die notwendigen Patientenrechte aus. Rieder erinnerte daran, dass Wien das einzige Bundesland ist, wo Patientenrechte im Krankenanstaltenrecht verankert sind, und wo es einen Entschädigungsfonds für Patienten gibt."
Der Wiener Uni-Professor Christian Kopetzki analysierte verfassungsrechtliche Fragen der "Querschnittsmaterie" Patientenschutz: Aufgrund des "bundesstaatlichen Wildwuchses" bestehe eine "beträchtliche Rechtszersplitterung" im Gesundheitswesen. Alle bisherigen Harmonisierungs-Versuche seien mehr oder minder erfolglos geblieben. Beispiel für so einen gescheiterten Versuch sei die "Patientencharta": Für den Rechtsexperten ist sie ein "fragwürdiges Beispiel austriakischer Patientenrechtslyrik". Bei der Charta handelt es sich um einen Gliedstaatsvertrag, der zwischen dem Bund und einem Land geschlossen wird, der zwar die Gebietskörperschaften, nicht aber Ärzte oder Patienten bindet. Dort wo die Charta-Grundsätze in Widerspruch zu Gesetzen oder Verordnungen treten, sind sie nicht anwendbar. Eine Lösung des Problemkreises hält Kopetzki vor einer kompletten Neuregelung der Kompetenzverteilung für "unrealistisch".