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Beispiel Wiener Neustadt

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Die Gemeinderatswahl in Niederösterreich brachte der SPÖ Verluste vor allem in den Städten. Genau diese Städte waren bisher der Schwachpunkt der Volkspartei. Wer, wenn nicht die machtvolle niederösterreichische Volkspartei, sollte also versuchen, diesen Hebel umzulegen? ÖVP-Mann Klaus Schneeberger, ein enger Vertrauter von Erwin Pröll, wird Bürgermeister von Wiener Neustadt. Den Posten hatte die SPÖ seit 1945 inne. Ein Erdbeben, wie es so schön heißt. Die ÖVP schaffte es, mit FPÖ, Grünen und Bürgerlisten eine Mehrheit zu zimmern, eine Blaupause ohne Zweifel. In Amstetten gibt es eine ähnliche Konstellation, auch dort könnte die SPÖ nach langer Zeit das Rathaus verlieren.

Die Aufregung darob ist groß. Die Wiener Grünen sind über ihre südlichen Parteifreunde empört. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos kritisierte die Grünen wegen ihrer Kollaboration mit den Freiheitlichen. Dass die SPÖ in Schwechat nur mit Hilfe der FPÖ den Bürgermeister weiterhin stellen kann, sollte der Fairness halber doch erwähnt werden.

Das Beispiel Wiener Neustadt müsste in der Zentrale der SPÖ die Alarmglocken schrillen lassen. Wenn sie die Städte verliert, schaut es bei künftigen Wahlgängen, etwa in Oberösterreich und Steiermark, auch nicht toll aus. Denn Volkspartei und Freiheitliche werden Wiener Neustadt bundesweit als Beispiel vor sich hertragen.

Um deren Finanzen steht es gar nicht gut, Schneeberger hat bereits einen Kassasturz für die Stadt angekündigt. Mit Kalkül, denn ein Blick in den Kontrollamtsbericht 2013 genügte vollauf: ". . . ohne Fremdfinanzierung und Kapitalentnahmen kann der ordentliche Haushalt nicht finanziert werden", heißt es da. Das klingt nach Sparen, höheren Gebühren, Leistungskürzungen.

Entkoppelt von existierenden kommunalen Herausforderungen wird die ÖVP-Botschaft lauten: Seht her, die Sozialdemokraten können nicht wirtschaften, 70 Jahre Herrschaft in Wiener Neustadt haben dies bewiesen.

Die 43.000-Einwohner-Stadt im Süden Wiens kann als lokales Phänomen abgetan werden, doch für die künftige politische Entwicklung in Österreich bietet sie einiges an Lehren. Das bisher durchgängige Muster der großen Koalition verblasst, vor allem in den Städten und ihren Ballungszentren. Die Wähler werden beweglicher, und mit ihnen die Koalitionsvarianten. Wiener Neustadt wird heuer nicht die letzte politische Überraschung gewesen sein.