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Beitritt oder kein Beitritt: Nur zwei Wege für die Türkei

Von Waldemar Hummer

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Im komplexen System der EU hängen des öfteren Dinge voneinander ab, die man zunächst nicht unmittelbar in Zusammenhang bringen würde, wie beispielsweise die Finanzvorausschau und den Türkei-Beitritt zur EU. Nachdem der Europäische Rat von Brüssel vom 16. und 17. Juni keine Einigung über die kommende "Finanzielle Vorausschau 2007-2013" erzielen konnte, stand fest, dass damit unter anderem die Grundlagen für die am 3. Oktober beginnenden Beitrittsgespräche mit der Türkei in Frage gestellt sind, da der Beitritt des Landes einen immensen Finanzbedarf, vor allem im Agrar- und Agrarstrukturbereich, bedingen würde.


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Die besondere Pikanterie liegt in diesem Zusammenhang aber darin, dass Großbritannien - als überzeugter Befürworter des Türkei-Beitritts - während seiner Präsidentschaft im kommenden Halbjahr kaum in der Lage sein wird, über seinen Schatten ("Briten-Rabatt") zu springen, sodass es dem nächsten Vorsitz, nämlich Österreich, vorbehalten sein wird, die kommende siebenjährige Finanzvorschau unter Dach und Fach zu bringen. Sollte dies gelingen, dann hätte Österreich - einer der profiliertesten Gegner eines türkischen Vollbeitritts - ohne es zu wollen mitgeholfen, einen der wichtigsten Stolpersteine für die Türkei aus dem Weg zu räumen.

Die - ohnehin erst nach 2014 mögliche - Voll-Mitgliedschaft der Türkei in der EU wird aber gerade von Österreich massiv in Frage gestellt, setzte es doch am Europäischen Rat in Brüssel im Dezember 2004 durch, dass die Verhandlungen mit der Türkei grundsätzlich "ergebnisoffen" sind und auch von der "Aufnahmefähigkeit der EU" abhängen. Was aber dabei nicht erwähnt wurde, ist der Umstand, dass die Türkei gem. Art. 49 EUV einen Beitrittsantrag zur EU gestellt hat, sodass die Beitrittsverhandlungen entweder nur positiv oder negativ ausgehen können - eine dritte Alternative besteht nicht.

Es ist daher unzulässig, davon zu sprechen, dass die Beitrittsverhandlungen unter Umständen bloß in eine "privilegierte Partnerschaft" oder in ein Assoziationsverhältnis - in der Art eines "EWR II" - einmünden könnten. Diesbezüglich müsste die Türkei nämlich zunächst ihren Beitrittsantrag gem. Art. 49 EUV zurückziehen und auf ein Assoziationsgesuch iSv Art. 310 EGV umstellen - was sie aber von vorneherein kategorisch ausgeschlossen hat.

Univ.-Prof. DDDr. Waldemar Hummer ist Leiter des Instituts für Völkerrecht, Europarecht und Internationale Beziehungen an der Leopold-Franzens-Universität in Innsbruck.