Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und Israels Ministerpräsident Ariel Sharon haben auf ihrem Gipfeltreffen im ägyptischen Badeort Sharm-el-Sheikh wie im Vorfeld angekündigt eine beidseitige Waffenruhe verkündet und mit den Worten von Abbas "eine neue Ära" im Friedensprozess eingeleitet. Israel kündigte als Goodwill auch die sofortige Freilassung von 500 palästinensischen Gefangenen und die Räumung von fünf Städten im Westjordanland binnen drei Wochen an.
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Mehr als ein erstes vorsichtiges Bekenntnis zum Friedenswillen war das gestrige Nahost-Gipfeltreffen im ägyptischen Badeort nicht, dennoch stellt die Begegnung zwischen Abbas und Sharon und vor allem deren Willensbekundung zu einem Ende der Gewalt einen Meilenstein in dem vor vier Jahren totgesagten Friedensprozess dar. "Wir hoffen, dass von heute an eine neue Periode der Ruhe und Zuversicht beginnt", erklärte Sharon im Anschluss an seinen Händedruck mit dem Arafat-Nachfolger. Erstmals gebe es eine "Aussicht auf eine bessere Zukunft für unsere Kin-der und Enkelkinder". Auch die palästinensische Seite versprühte in Sharm-el-Sheikh Zuversicht. "Der Frieden ist machbar", verkündete etwa Kabinettsminister Saeb Erekat. Bis zu einem endgültigen Friedensabkommen liegt allerdings noch ein weiter Weg. Auf ein klares Bekenntnis zur Umsetzung des internationalen Nahost-Friedensfahrplans (Baustopp jüdischer Siedlungen oder des Sperrwalls) mit dem Ziel eines unabhängigen Palästinenserstaates wartete man auf dem Gipfeltreffen, an dem auch Ägyptens Präsident Hosni Mubarak und Jordaniens König Abdullah II teilnahmen, vergeblich. Auch in der heiklen Frage der Gefangenenfreilassung blieben die Differenzen unübersehbar.
Beschränkung auf Sicherheitsthemen
Selbst die proklamierte Waffenruhe war nicht mehr als eine vage Absichtserklärung (die auf Wunsch Israels nicht einmal gemeinsam verkündet wurde) - ein schriftliches Waffenstillstandsabkommen hatte Israel abgelehnt. Ebenso wenig wollte sich Israel auf ein Ende der willkürlichen Tötungen von Mitgliedern der radikalen Palästinensergruppen Hamas und Islami Jihad (IJ) verpflichten. Vereinbart wurde daher gestern letztlich nur, dass Israel unter der Bedingung, dass deren Terrorangriffe aufhören, seine Militäraktionen in den Palästinensergebieten einstellt.
Auch Abbas hatte wenig zu bieten. Er konnte lediglich eine Garantie dafür abgeben, dass er alles daran setzen wird, künftige Gewaltakte zu verhindern und Hamas und IJ auf einen dauerhaften Waffenstillstand mit Israel einzuschwören. Ein erster Hoffnungsdämpfer erfolgte jedoch noch während des Besuchs in Sharm-el-Sheikh. Man werde die intern bis Ende Februar beschlossene Waffenruhe nur dann verlängern, wenn Israel sich zu einer Freilassung aller 8.000 palästinensischen Häftlinge verpflichte, ließ Hamas-Sprecher Muschir al-Masri gestern Nachmittag vor Journalisten in Gaza verlauten.
Die Forderung nach einem großzügigeren Entgegenkommen in der überaus emotional besetzten Gefangenenfrage hatte auch die Palästinensische Autonomiebehörde gestellt. Israel ging darauf nicht ein. Sharon kündigte gestern offiziell die Freilassung von 500 Häftlingen in unmittelbarem Anschluss an das Gipfeltreffen an, darunter die des Sohnes von Palästinenserführer Marwan Barghuti. 400 weitere Fälle müssten noch "jeweils einzeln untersucht werden". Bis Ende März sollen auch sie die Freiheit erlangen. Die übrigen 7.100 Palästinenser, darunter politische Fälle wie der zu lebenslang verurteilte Marwan Barghuti oder Widerstandskämpfer, die oft Jahre lang ohne Gerichtsverfahren festgehalten werden, will Israel als Faustpfand behalten. Und nur jene Palästinenser freigeben, die ohnehin eine niedrige Haftstrafe zu verbüßen hatten.
Schlechtes Omen?
Ein Sicherheitsgipfel auf höchster Ebene, gespickt zwar mit einigen Zugeständnissen seitens Israels, aber ohne substantiellem politischem Gehalt - so definierten denn auch Beobachter das Treffen im ägyptischen Badeort, der schon einmal, im September 1999, als Kulisse für ein Nahost-Abkommen gedient hatte - das allerdings nicht hielt, was es versprach. Für Sharon und Abbas war das gestrige Treffen bereits die 2. Tuchfühlung. Im Juni 2003 hatten sie im jordanischen Akaba (Abbas als damaliger Premier) per Handschlag ihr Bekenntnis zu einem Gewaltstopp und zur "Roadmap" abgelegt. Neue extralegale Hinrichtungen Israels und Racheakte der Hamas machten aber auch diese Hoffnungen zunichte. Solche Gefahr gilt es nun zu bannen.