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Die Erweiterung der Union, die Zukunft Europas sowie Sachfragen wie Verkehr und Steuerharmonisierung dominierten die Unterredung Bundeskanzler Wolfgang Schüssels mit seinem luxemburgischen Kollegen Jean-Claude Juncker, der sich seit gestern zu einem offiziellen Besuch in Österreich aufhält.
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"Keine Erweiterung im Galopp", appellierte Luxemburgs Premier Juncker. Fragen wie die Arbeitnehmerrechte in einem sozialen Europa oder der Kampf gegen das Verbrechertum müssten vorher ausdiskutiert sein. Beim EU-Gipfel in Göteborg sei der Beitrittsprozess weitergeschrieben worden, aber: "Man muss der Zeit erst Zeit geben", betonte Juncker. Angesprochen auf die Ausschreitungen in Göteborg, meinte er, "wir haben eine Aufgabe, und das ist die europäische Integration". Die EU sei "auch ein Schutzwall". Vor dem Hintergrund des Kosovo-Krieges oder der Ölkrise müsse man sich die Globalisierung ohne Europa vorstellen. "Die Zeit mutet den Menschen viel zu", so Juncker philosophisch.
Problem Verkehr
In diesem Zusammenhang meinte der christdemokratische Premierminister, den Verkehr dürfe man nicht ungeordnet weiterentwickeln lassen. Während der Frachtentransport in den USA zu 40 Prozent auf der Schiene durchgeführt würde, seien es in der EU nur knapp 20 Prozent. "Hier muss es zu einem Umdenken kommen." Österreich sicherte Juncker die Unterstützung Luxemburgs bei der Lösung der Transitproblematik zu (siehe auch neben stehenden Bericht).
Zur Steuerharmonisierung sagte Juncker, Österreich und Luxemburg hätten in der europäischen Steuerpolitik keine unterschiedlichen Auffassungen. Beide blockieren den geplanten europäischen Informationsaustausch über Zinserträge von Sparern, die im Ausland anlegen, solange Drittstaaten wie die Schweiz nicht in die Regelung einbezogen werden.
Der luxemburgische Regierungschef wurde mit militärischen Ehren von Kanzler Schüssel und Vizekanzlerin Riess-Passer empfangen. Schüssel bedankte sich, dass Luxemburg 1994 die österreichischen EU-Beitrittsverhandlungen unterstützt habe. Auch habe sich Luxemburg während der Sanktionen gegen die Bundesregierung anders verhalten als die EU-Partner. Luxemburg hat die Maßnahmen der EU-14 zu Beginn zwar mitgetragen, sich dann aber sehr zurückhaltend gezeigt. "In 15 europäischen Hauptstädten" seien Fehler gemacht worden, meinte Juncker rückblickend.
Der Christdemokrat regiert seit 1994 und bildet derzeit eine Koalition mit den Liberalen. Bei seinem offiziellen Österreichbesuch trifft Jean-Claude Juncker auch mit Regierungsvertretern der FPÖ zusammen - im Gegensatz zu Deutschlands Kanzler Gerhard Schröder bei seinem Arbeitsbesuch vor wenigen Wochen. "Ich habe keine Berührungsängste", so Juncker. Geplant sind Gespräche mit Finanzminister Grasser sowie mit Bundespräsident Klestil und Außenministerin Ferrero-Waldner.